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Streit um Thüringens kleinste JVA

Im Freistaat fehlt es an Einzelzellen, doch das Gefängnis in Gera soll Ende 2017 schließen

  • Lesedauer: 3 Min.

Gera. Als voreilig und nicht zu Ende gedacht hat der Bund der Strafvollzugsbediensteten die geplante Schließung des Geraer Gefängnisses kritisiert. Er bezweifle stark, dass dadurch größere Einsparungen zu erzielen seien, sagte der Thüringer Landesvorsitzende Jörg Bursian der dpa. Zudem entferne sich Thüringen so für weitere Jahre vom Ziel einer verstärkten Einzelunterbringung von Gefangenen. Teils leben die Inhaftierten in mehrfach belegten Zellen für bis zu sechs Personen.

Die beiden Ostthüringer Gefängnisse in Gera und Hohenleuben sollen künftig von einem Neubau im sächsischen Zwickau ersetzt werden. Obwohl der frühestens 2020 fertig wird, hatte Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) vorige Woche bekannt gegeben, dass Thüringens kleinste Justizvollzugsanstalt (JVA) in Gera schon Ende 2017 stillgelegt wird. Dabei verwies er auf die gesunkene Zahl der Gefängnisinsassen im Freistaat. Landesweit gebe es 400 freie Haftplätze; die Anstalt in Gera mit Platz für 149 Gefangene sei zum Jahresende mit weniger als 70 Personen belegt gewesen, hieß es.

Diese Zahlen hält Bursian allerdings nicht für aussagekräftig. Gerade am Jahresende sei die Belegung der Gefängnisse niedrig und nicht repräsentativ - etwa wegen der Weihnachtsamnestie und des Umstands, dass viele Delinquenten erst nach den Feiertagen ihre Haft antreten. Der Blick allein auf die Zahl der Haftplätze sage zudem nichts über die Art der Unterbringung aus.

Generell ist in Thüringen die Unterbringung in Einzelzellen vorgesehen. Davon ist der Strafvollzug aber weit entfernt. Rund 40 Prozent der Gefangenen mussten sich laut Statistischem Bundesamt zuletzt ihre Zelle mit anderen Gefangenen teilen. Im Bundesschnitt liegt der Anteil nur bei 25 Prozent, in etlichen Bundesländern gar unter zehn Prozent. Die JVA Gera bis zur Fertigstellung des Neubaus in Zwickau weiter zu betreiben, würde in dieser Hinsicht Entlastung schaffen, argumentiert Bursian.

Der Landesvorsitzende zweifelt auch daran, dass die Schließung nennenswerte Einsparungen bringe. »Essen und duschen muss ein Gefangener, egal ob er in Gera, Hohenleuben oder Suhl untergebracht ist«, betonte Bursian. Auch wenn der eine oder andere Posten wegfalle, entstünden an anderer Stelle höhere Kosten - etwa durch längere Anfahrtswege zu Gerichten oder Reisekosten und Trennungsgeld für die bisher in Gera Beschäftigten. Zwar habe das Land sie früh und direkt über die Schließungspläne informiert, sagte der Verbandschef. Doch kritisierte er, dass die Beschäftigten nun für eine Übergangszeit an einen neuen Einsatzort müssen, um dann in wenigen Jahren erneut zu wechseln - an die neue JVA in Zwickau.

»Mit der Schließung der JVA Gera verliert Thüringen Haftplätze, ohne zu wissen, wann der Neubau in Zwickau tatsächlich eröffnet wird«, monierte Bursian. Derzeit wird dafür das Jahr 2020 gehandelt - einst war von 2017 die Rede. Bursian rief die rot-rot-grüne Landesregierung in Erfurt auch dazu auf, rasch mit dem Nachbarland Sachsen eine Verwaltungsvereinbarung abzuschließen. Darin müsse festgeschrieben werden, dass die bislang Thüringer Beamten, die dann nach Zwickau versetzt werden, nicht gegen ihren Willen an andere sächsische Gefängnisse versetzt werden dürfen. dpa/nd

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