Kein sicheres Ankunftsland
Täglich zehn Angriffe auf Flüchtlinge 2016 in Deutschland / Unter 560 Verletzten sind 43 Kinder
Berlin. In Deutschland sind im vergangenen Jahr mehr als 3500 Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte registriert worden. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestags-Linksfraktion hervor. Es wurden 560 Menschen verletzt, von denen 43 Kinder waren. Die Behörden zählten 988 Angriffe auf Asylunterkünfte, dies waren nur geringfügig weniger als im Vorjahr mit 1031 Taten. Im Jahr 2016 kamen 2545 Angriffe auf Flüchtlinge außerhalb von Unterkünften dazu. Vergleichszahlen für das Vorjahr liegen in diesem Punkt nicht vor. 217 Mal wurden Hilfsorganisationen oder freiwillige Helfer attackiert, wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Sonntag berichteten.
Die Bundesregierung verurteilte in ihrer Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion die Gewalt gegen Flüchtlinge »aufs Schärfste«. In Deutschland Schutz suchende Menschen könnten zu Recht erwarten, »dass sie sicher untergebracht sind«. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, forderte mehr Engagement gegen die Gewalt. Es gebe nahezu zehn Taten am Tag, sagte Jelpke den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. »Muss es erst Tote geben, bevor die rechten Gewalttaten als ein zentrales Problem der inneren Sicherheit eingestuft werden und ganz oben auf der Agenda der Innenpolitik stehen?«, fragte die LINKE-Politikerin.
Zu den »dringendsten Konsequenzen dieser Hasstaten« müsse gehören, dass die Bundesregierung damit aufhöre, »durch immer neue Gesetzesverschärfungen im Asylbereich weiter den Eindruck zu erwecken, Flüchtlinge seien eine Bedrohung«, forderte Jelpke. Das sehen Unionspolitiker bekanntlich anders. Auch am Wochenende taten sich einige mit Forderungen nach mehr Abschiebungen hervor. Grundsätzlich müssten Abschiebungen und Rückführungen durchgesetzt werden, sagte Jens Spahn (CDU) im »Interview der Woche« des Deutschlandfunks. Es könne sich keine Akzeptanz für Hilfe und Aufnahme von Flüchtlingen entwickeln, wenn man letztlich Schlepper und Schleuser darüber entscheiden lasse, wer nach Deutschland komme. »Wir, die Europäische Union, entscheiden selbst, wer unsere Region und unser Staatsgebiet betritt und wer nicht«, betonte das CDU-Präsidiumsmitglied. Und das bedeute eben auch, dass es Menschen gebe, die »eigentlich reinwollen, die nicht reinkommen« beziehungsweise das Land wieder verlassen müssten. Eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen lehnte Spahn ab.
Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte der »Welt am Sonntag«: »Sammelabschiebungen mit gerade mal 20 Leuten sind ein Witz. Es müssten Tausende sein, die abgeschoben werden.« Die Wähler verstünden nicht, warum junge Deutsche Militärdienst in Afghanistan leisteten, afghanische Männer aber hier bleiben könnten. Letztere sollten sich in ihrer Heimat für Stabilität und Demokratie einsetzen. Agenturen/nd Kommentar Seite 4
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