Schwedens Mühe mit den Abschiebungen

Tausende abgelehnte Asylbewerber tauchen unter

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 2 Min.

Schweden hat wie Deutschland lange eine großzügige Flüchtlingspolitik betrieben. Im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl von knapp zehn Millionen hat die wohlhabende Nation im europäischen Norden mehr Flüchtlinge aufgenommen als alle anderen EU-Länder. Doch Ende 2015 verschärfte die rot-grüne Regierung die Regeln deutlich. Stockholm kündigte bereits im Januar 2016 an, dass bis zu 80 000 von 163 000 Menschen, die 2015 Asyl beantragt haben, 2016 und 2017 abgeschoben werden sollen. Die Abschiebungen sollten möglicherweise in Zusammenarbeit mit Deutschland geschehen, hieß es noch 2016 aus Stockholm.

Obwohl die Anzahl neuer Asylbewerber drastisch gesunken ist - 2016 waren es noch 30 000 - bleibt die Lage bei Abschiebungen unübersichtlich. Es gibt viele Hürden. Asylverfahren dauern mit Einsprüchen bis zu zwei Jahre. Schwedens Migrationsamt hat 2016 geschätzt, dass sich rund ein Drittel der Auszuweisenden der Abschiebung verweigert. Sie sind zudem schwer in ein Herkunftsland abzuschieben, weil sie keine Papiere haben. Kürzlich schätzte das Migrationsamt, dass bis 2021 rund 49 000 abgelehnte Asylbewerber in Schweden untertauchen werden. Im letzten Jahr waren es 6000. 2017 sollen es 8300 sein, 2018 dann 12 400 und 2019 rund 11 100. Dann soll die Rate wieder abfallen bis 2021.

Dabei geht es vor allem um Menschen aus Afghanistan, Irak und Somalia. Die Polizei fühlt sich überfordert. »Wenn wir vom Migrationsamt 8000 Fälle bekommen, haben wir keine Möglichkeit, sie aktiv zu suchen«, so Grenzpolizeichef Patrik Engström. In den Großstädten gibt es auch eine im EU-Vergleich sehr große Anzahl von unbegleitet ins Land gekommenen Minderjährigen. Ein Teil von ihnen führt schon jetzt ein Schattendasein auf öffentlichen Plätzen, es gibt Drogenprobleme und Prostitution. Die Polizei warnt vor dem Entstehen einer Schattengesellschaft mit Rechtlosen, die wegen ihrer Perspektivlosigkeit kriminell werden könnten.

Um das Abtauchen und soziale Spannungen zu vermeiden, wurden abgelehnte Asylbewerber, die nicht ausreisen wollen, oft weiter finanziell unterstützt. Auch durften sie in Asylbewerberunterkünften wohnen bleiben. Die Regeln wurden zwar verschärft, aber auch hier läuft die Umsetzung schleppend.

Für Abschiebehaft gibt es kaum Ressourcen. Die Zahl der Plätze wird derzeit von 250 auf 350 ausgebaut. Die rot-grüne Regierung will nicht zu streng sein. Auch Personen, die nach einer Gefängnisstrafe abgeschoben werden sollen, werden einfach freigelassen und tauchen dann unter. Das ergab nun ein Bericht des öffentlich-rechtlichen Fernsehens SVT. Illegale Flüchtlinge haben in Schweden zumindest ein Recht auf medizinische Grundversorgung.

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