Biathlon auf dem Golfplatz

Ein Jahr vor den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang sind die Vorbereitungen weit vorangeschritten, doch es gibt auch Kritik

In genau einem Jahr werden im Olympiastadion von Pyeongchang die Paralympics eröffnet. Einen Monat vorher werden bereits die ersten Olympiasportler um Medaillen im recht beschaulichen Bergort im Nordosten Südkoreas kämpfen. Elf Monate sind für ein Megaprojekt dieser Größe keine lange Vorbereitungszeit mehr, weshalb schon viele Sportstätten fertiggestellt sind. Jetzt ist die Zeit für Testwettkämpfe, die dieser Tage ausgetragen werden, um den olympischen Ernstfall zu proben. Die meisten Athleten berichten positiv von ihren Reisen, Kritik ist aber auch deutlich zu vernehmen.

Christiane Putzich ist derzeit in Pyeongchang bei der Weltmeisterschaft im Rollstuhlcurling. Ihre aktuelle Enttäuschung ist dabei aber rein sportlicher Natur, denn am Donnerstag verlor die deutsche Mannschaft zwei Partien gegen Schottland und die Schweiz jeweils 3:6. Wären beide Spiele gewonnen worden, hätte sie am Samstag noch um eine Medaille spielen können. So aber müssen Putzich und ihre Kollegen an diesem Freitag noch einmal gegen die Schweiz ran. Ein Sieg ist Pflicht, um den Abstieg noch zu vermeiden. »Wir konnten unsere Normalleistungen leider nicht abrufen. Aber ich bin auch nur ein Mensch und habe Nerven gezeigt«, sagt Putzich.

Am Spielort, dem Curling Centre in der Küstenstadt Gangneung, habe es aber nicht gelegen. »Da habe ich nichts zu mäkeln. Das Eis und die Halle sind top«, berichtet die 41-Jährige. Die Temperaturen sind angenehm, für Barrierefreiheit ist gesorgt, und selbst Schlaglöcher auf den Straßen werden für die Rollstuhlfahrer mit Gummimatten abgedeckt. Zuschauer kamen jedoch kaum zu dieser WM, allerdings sei das auch kein Problem, sagt Putzich. Rollstuhlcurler sind es nicht anders gewohnt.

Die Biathleten, die bei ihrem Weltcup vor einer Woche gut 20 Kilometer weiter die Berge hinauf zum Weltcup angetreten waren, aber schon. Diesmal liefen und schossen sie aber nicht vor 15 000 Fans wie in Italien, Norwegen, Deutschland oder Tschechien, sondern vor ein paar Hundert, von denen viele auch noch freiwillige Helfer waren. Darüber können die Athleten zwar hinwegsehen, über die Qualität der Strecke ließen sie sich dann aber doch aus. »Bei Vereinsmeisterschaften würde man sich über die schlechten Bedingungen aufregen«, sagte Erik Lesser. Auch Laura Dahlmeier bescheinigte der buckeligen Loipe nur »Klubmeisterschaftsniveau«. Arnd Peiffer war acht Jahre zuvor schon bei der WM am selben Ort und glaubt nun nicht mehr an Verbesserungen für Olympia. »Wir werden uns auf schlechte Bedingungen einstellen müssen. Das war auch damals schon so bei der WM 2009. Der Standort ist eben nicht unbedingt geeignet für Wintersport«, sagte der Ex-Weltmeister.

Besonders verwunderlich sind die Probleme nicht, denn das Alpensia Biathlon Centre ist trotz des neuen Namens nicht für diesen Sport entworfen worden. Hier ist im Sommer ein Golfplatz beheimatet, der nun also auch im Winter genutzt werden kann, wenn man die weißen Bälle im Schnee nicht wiederfindet. Man fragt sich, ob die Umweltschützer das im Sinn hatten, als sie mehr Nachhaltigkeit in der Nutzung von olympischen Sportstätten verlangten.

Ein ähnliches Problem beschäftigt auch die Rodler, Bob- und Skeletonfahrer, denn für sie wird fast immer für viele Millionen Dollar eine neue Bahn gebaut. Vor 37 Jahren fanden in Lake Placid letztmals Wettbewerbe auf einer bereits existierenden Bahn statt, danach wurde stets eine neue errichtet. Die Eisrinne von Sarajevo 1984 diente im Bosnienkrieg als Artillerieposten und ist von Geschossen durchsiebt. Und auch in La Plagne (1992), Lillehammer (1994) oder Nagano (1998) finden keine regelmäßigen Weltcups mehr statt.

Nun steht also auch eine 110 Millionen Euro teure Bahn in Pyeongchang, und für die Spiele von 2022 in Peking wird auch in China eine gebaut. »Ich hoffe, dass in Zukunft vielleicht drei Weltcups hintereinander in Asien stattfinden können und die Bahnen häufiger genutzt werden«, sagt Rennrodelweltmeisterin Tatjana Hüfner nun dem »nd«. Für Olympia 2018 macht sie sich aber noch »keine Illusionen, dass viele Zuschauer an der Strecke jubeln werden«. Beim Weltcup waren jedenfalls nur sehr wenige da.

Ihre Vorfreude auf die Spiele verringert dies jedoch nicht. »Olympia ist immer etwas Besonderes, egal an welchem Ort«, sagt Hüfner. Die neue Bahn in Südkorea gefalle ihr, auch wenn sie an einer Stelle noch entschärft werden müsse. »Wer falsch aus der Kurve neun kommt, trifft hart auf die Bande und verliert den Kontakt zum Eis. Die Bande ist zudem ziemlich niedrig, und man wird doch sehr hoch ausgehoben«, befürchtet Hüfner eine Wiederholung des tragischen Unfalls von Whistler im Jahr 2010. Damals war am Eröffnungstag der Spiele von Vancouver der Georgier Nodar Kumaritaschwili tödlich verunglückt, als er aus der Bahn katapultiert wurde. »Man muss ja nicht warten, bis etwas passiert«, warnt Hüfner. Bundestrainer Norbert Loch hat die Bedenken an den Weltverband weitergegeben und ist sich sicher, »dass es Nachbesserungen geben wird«.

Bei mindestens einer Sportart wird die Arena aber mit Sicherheit voll werden: Die Gangneung Ice Arena fasst zwar immerhin 12 000 Zuschauer, doch sogar beim Weltcup der Shorttracker im Dezember waren die schon fast komplett ausverkauft, schließlich sind Südkoreas Eisschnellläufer auf der kleinen Bahn traditionell stark. »So große Hallen haben wir sonst nie, und die Stimmung war toll«, zeigte sich der erst 19-jährige Felix Spiegl begeistert. »Es hingen schon überall Fahnen an den Laternen, selbst die Gullideckel haben schon die Olympischen Ringe drauf. Die Leute waren freundlich, und sie lieben unseren Sport.« Winterspiele in Südkorea zu erleben, wäre also für Shorttracker etwas ganz Besonderes, doch dafür muss Spiegl in den ersten vier Weltcups des kommenden Winters zweimal unter die besten 16 laufen. »Das wird schwer, aber in Gangneung bin ich meinen besten Wettkampf gelaufen und auf Platz neun gelandet«, sagt Spiegl.

Nur zwei Dinge sind noch nicht fertig gebaut: Das Olympische Dorf und das Olympiastadion. Beides soll rechtzeitig fertig werden. »Die großen Kräne sind schon weg«, berichtete Rodeltrainer Norbert Loch vom Athletendorf. Das Stadion nebenan soll in knapp einem Jahr 50 000 Zuschauer fassen, wenn die Spiele dort eröffnet und abgeschlossen werden. Auch die Medaillen werden hier überreicht. Danach wird es wieder auseinandergenommen. Gesamtkosten 74 Millionen Euro. Nun, das mit der Nachhaltigkeit hatten wir ja schon.

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