G20-Finanzministertreffen im Zeichen des Steuerwettkampfs

Uneinigkeit unter Ressortchefs und Notenbankchefs der großen Wirtschaftsmächte in Baden-Baden

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn sich die Finanzminister und Notenbankchefs der G20-Staaten am Freitag und Samstag in Baden-Baden versammeln, wird sich eines wieder deutlich zeigen: Der europäische Steuerwettkampf ist schon lange eröffnet. So wird auch in Italien von vielen Bürgern die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich beklagt. Dennoch will das Finanzministerium der Mitte-Links-Regierung Millionären eine Vorzugsbehandlung anbieten. Es kündigte an, dass Ausländer bei Zuzug mit der Zahlung von jährlich 100 000 Euro alle Steuerpflichten abgelten können. Damit sollen wie in Großbritannien und der Schweiz die Eigentümer großer Vermögen ins Land gelockt werden. Im Februar hatten die Schweizer eine Reform abgelehnt, die 25 000 Firmen und Tausenden Reichen weitere Steuervorteile gewährt hätte.

Der Steuerwettkampf zwischen den Industriestaaten reicht also inzwischen über das Thema Unternehmensbesteuerung hinaus. Auch hier droht ein Wettlauf um die niedrigsten Belastungen - ausgelöst von den USA und Großbritannien, deren neue Regierungen Steuererleichterungen für Firmen angekündigt haben.

Bundesfinanzminister und G20-Gastgeber Wolfgang Schäuble (CDU) wird harte Nüsse zu knacken haben. »Wir werden uns während der deutschen Präsidentschaft weiter dafür einsetzen, die Fairness und Verlässlichkeit der nationalen Steuersysteme weltweit zu verbessern«, sagte er. Schäubles Ziele sind damit so unbestimmt formuliert, dass auch Italien oder die Schweiz ihnen zustimmen könnten. Superreiche anzulocken und sie eine Pauschale zahlen zu lassen, sei »fairer«, als wenn diese auf Steuerinseln im Pazifik null Euro zahlten.

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac und ein breites Bündnis rufen zu Protesten am 17. und 18. März in Baden-Baden auf. »Blühende Steueroasen, instabile Finanzmärkte und eine weitere Verschärfung der globalen Ungleichheit - das ist das Ergebnis von acht Jahren angeblicher Reformpolitik der G20«, sagt Alfred Eibl von Attac. In den Gipfelverlautbarungen vergangener Jahre fänden sich zwar Absichtserklärungen, aber es fehle an einschneidenden Maßnahmen. »Offensichtliche Interessengegensätze und mangelnder Einigungswille auf internationaler Ebene dienen als Vorwand für ausbleibende Regulierungen auf nationaler Ebene.«

Auch die Bundesregierung strengt sich nicht an, den Schattenfinanzplatz zu schließen. Finanzanlagen von Steuerausländern werden kaum besteuert. Markus Meinzer vom Tax Justice Network schätzt die Höhe der Fluchtgelder in Deutschland im Buch »Steueroase Deutschland« auf 3000 Milliarden Euro. Ein Großteil davon Schwarzgeld, das aus dem G20-Land China stammt.

Zu dieser Gruppe gehören die 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und die EU. Die G20-Staaten repräsentieren über 85 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, 75 Prozent des Welthandels und etwa 65 Prozent der Weltbevölkerung. Die Gruppe der 20 will ein Forum für die globale wirtschaftspolitische Koordinierung sein. Zumindest während der Finanzkrise spielte sie diese Rolle durchaus mit Erfolg. Anfang Dezember übernahm Deutschland die Präsidentschaft; 1999 war man bereits Gastgeber des Gründungstreffens.

Im Vorfeld des Finanzministertreffens entwickelte sich ein dichter Prozess der politischen Abstimmung. Mit Arbeitsgruppen und Workshops, an denen neben Politikern auch Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft teilnehmen. Die deutsche Präsidentschaft wollte sich ursprünglich auf die Erhöhung der Widerstandskraft von Volkswirtschaften, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen vor allem in Afrika sowie die Digitalisierung im Finanzsektor konzentrieren. Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ist die Agenda wieder offener. Den Höhepunkt der G20-Aktivitäten soll der Gipfel der Regierungschefs im Juli in Hamburg bilden.

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