»Wir wollen das Verhalten der Jugendlichen verändern«

In Kenia regt die interaktive Medienplattform »Shujaaz« mit Comic Held DJ B zu kreativen Wegen aus der Not an

  • Bettina Rühl, Nairobi
  • Lesedauer: 4 Min.

DJ B hat nie viel Geld, aber dafür jede Menge Ideen. Weil er daraus spannende Geschichten macht, hat er schon 4,7 Millionen Fans, jedenfalls wenn man seinem Erfinder Rob Burnet glaubt. DJ B, oder mit bürgerlichem Namen Boyie, ist eine Comic-Figur und der Held von »Shujaaz«, einer interaktiven Medienplattform, die Jugendliche in Kenia stärken will.

»Shujaaz« (Kishuaheli für Helden) ist das wichtigste Produkt des Unternehmens »Well Told Story« (WTS), das Medien produziert und zugleich soziologische Forschung betreibt. Gründer und Geschäftsführer der kenianischen Firma ist der Brite Rob Burnet. Finanziert wird die Forschung unter anderem von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Hinter den unterhaltsamen und beliebten Geschichten steckt ein sehr ernstes Ziel: »Wir wollen das Verhalten der Jugendlichen verändern«, sagt Burnet. So tummelt sich Vorbild DJ Boyie mit seinen Erlebnissen in Comicheften, Radiosendungen, auf Facebook, Twitter und Instagram.

Um die Zielgruppe präzise anzusprechen, sind in Burnets 40-köpfigen Team zwölf Mitarbeiter ausschließlich mit Forschung beschäftigt. »Wir wollen die Gedankenwelt unserer Leser und Hörer genau kennen, ehe wir ein neues Thema einführen«, sagt Burnet. Denn nur so finde man Gehör. Beispielsweise holen sich die Macher vor Veröffentlichung der Comics, die monatlich erscheinen, einen jungen Menschen für einen Realitäts-Check von der Straße in die Redaktion.

»Shujaaz« will jungen Menschen vor allem helfen, kreativ zu sein und sich Einkommensmöglichkeiten zu schaffen. Denn auf feste Stellen können die wenigsten hoffen - »bis zu 90 Prozent der jungen Leute werden keinen Job mit einem Arbeitsvertrag kriegen«, erläutert Burnet. Jedes Jahr kämen 1,2 Millionen junge Menschen neu auf den kenianischen Arbeitsmarkt.

Arbeit, die Gründung von kleinen Unternehmen und ähnliches sind deshalb ständige Themen in der Welt von »Shujaaz«. Aber auch Tabuthemen packen DJ B und seine Freunde an: Sex und Verhütung, der Hass zwischen Ethnien. Viele Politiker schüren die Vorurteile zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen, weil sie sich davon Wählerstimmen und finanzielle Vorteile erhoffen.

Nach der Präsidentenwahl von 2007 eskalierte das angeheizte Misstrauen zu schweren Ausschreitungen mit Hunderten Toten, nur knapp entging Kenia dem Bürgerkrieg. Die Gewaltexzesse waren Auslöser für die Gründung von WTS: DJ B und seine Freunde sollen mithelfen, eine Wiederholung zu verhindern. Im August finden wieder Wahlen statt. Die Comics werden kostenlos verteilt und liegen unter anderem der größten Tageszeitung Kenias bei, der »Daily Nation«. Außerdem produziert Burnets Team Radiosendungen, die von etlichen privaten Sendern in Kenia und dem Nachbarland Tansania ausgestrahlt werden, wo die Lage ähnlich ist. Die Sprache von »Shujaaz« ist in Kenia der Jugendslang Sheng, in Tansania die lokale Variante des »jungen« Kishuaheli.

Mit ihren Fans treten die Figuren über die sozialen Netzwerke oder per SMS in Kontakt. Aber auch Redaktion und Sender erhalten Zuschriften. Immer wieder fließen Anregungen von Lesern oder Hörern und sie selbst als Protagonisten in die nächste Sendung oder Veröffentlichung ein.

Ein Thema, das das WTS-Team kürzlich untersucht hat, ist der Stand und die Gründe der religiösen Radikalisierung kenianischer Jugendlicher. »Anfangs geht es denen, die sich später radikalisieren, fast nie um Religion«, sagt Burnet. »Sie fühlen sich von der Gesellschaft und der Regierung abgelehnt.« Letztlich suchten sie Respekt und Anerkennung, und ein Einkommen. Radikale Gruppen wie die somalische Terrormiliz »Al-Shabaab« finden auch in Kenia Anhänger, weil sie den jungen Leuten genau das versprechen. Diese Ergebnisse will WTS im »Shujaaz«-Universum thematisieren, sobald das Geld dafür gefunden ist.

Dass sie mit ihrer Arbeit erfolgreich sind und Verhaltensänderungen erreichen können, veranschaulicht Burnet mit einer Reihe von Statistiken - aber auch mit Geschichten von Lesern. So habe eine junge Frau ihr Einkommen dank »Shujaaz« verdreifacht. WTS erfuhr davon, weil sie DJ B begeistert und aufgeregt davon schrieb.

Die 21-Jährige lebte davon, dass sie hart gekochte Eier auf Baustellen verkaufte. Angeregt von »Shujaaz« erweiterte sie ihr Angebot um Kachumbari, die kenianische Variante von Tomatensalat. Seitdem verkauft sie drei Mal so viele Eier am Tag. So konnte sie täglich etwas Geld sparen und in weitere Kleinstunternehmen investieren. Sie ist eine der vielen Heldinnen, von denen »Shujaaz« erzählt, damit sie sich von einander ein Beispiel nehmen können.

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