Türkei lässt deutsche Diplomaten erstmals Yücel treffen

Außenminister Cavusoglu bestätigt konsularischen Zugang zum inhaftierten Journalisten / Auswärtige Amt spricht von »Schritt nach vorne«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Sieben Wochen nach der Festnahme des »Welt«-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei erhält Deutschland erstmals konsularischen Zugang zu dem Journalisten. Die Türkei habe offiziell bestätigt, dass deutsche Diplomaten am Dienstag Zugang zu Yücel erhielten, erklärte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag. Yücel wird seit Mitte Februar in der Türkei festgehalten, offiziell wird ihm Terrorismusunterstützung vorgeworfen.

Er habe seinen türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu am Rande des NATO-Außenministertreffens am Freitag »nochmals darum gebeten, dass wir konsularischen Zugang zu Deniz Yücel erhalten«, erklärte Gabriel in Luxemburg. Dabei habe er auf die Einhaltung eines »Versprechens« des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gepocht. Cavusoglu habe sich daraufhin »offenbar nochmals intensiv in Ankara eingesetzt« und ihm am Wochenende positiv geantwortet.

»Dafür danke ich ihm«, erklärte Gabriel weiter. »Heute Morgen nun hat die Türkei auch noch einmal offiziell per Verbalnote bestätigt, dass wir morgen endlich Zugang zu Deniz Yücel erhalten werden, um uns nach schweren Tagen der Haft von seinem Wohlbefinden zu überzeugen.«

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts wertete das türkische Einlenken als »positive Nachricht« und einen »Schritt nach vorne«. Ob damit auch dauerhaft ein konsularischer Zugang zu Yücel gewährleistet ist, konnte er nicht sagen. Ob nach dem Treffen am Dienstag noch weitere Besuch möglich seien, werde sich finden, sagte der Sprecher. »Wir werden natürlich weiterhin am Ball bleiben.«

Yücel, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, hatte sich am 14. Februar der Polizei in Istanbul zur Befragung gestellt und war daraufhin in Gewahrsam genommen worden. Zwei Wochen später ordnete ein Haftrichter an, den Journalisten wegen »Terrorpropaganda« und »Volksverhetzung« in U-Haft zu nehmen. Gemäß geltendem Recht kann diese bis zu fünf Jahren dauern. Die Entscheidung stieß in Deutschland auf scharfe Kritik, auch die Bundesregierung schaltete sich ein.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Yücel in einer Rede »Spionage« vorgeworfen und ihn als Agenten der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bezeichnet. Die Bundesregierung sieht für diese Vorwürfe keine Anhaltspunkte. Kritiker sehen das Verfahren gegen Yücel als politisch motiviert an und verweisen darauf, dass er ausschließlich wegen seiner journalistischen Arbeit inhaftiert wurde.

Von deutscher Seite war die Vermutung geäußert worden, Erdogan wolle durch sein hartes Vorgehen bei türkischen Nationalisten Sympathien für seine geplante Verfassungsreform sammeln. Die neue Verfassung, über die am 16. April in einem Referendum abgestimmt wird, soll die Machtbefugnisse des Präsidenten erheblich erweitern. Insgesamt sind in der Türkei derzeit mehr als 150 Journalisten inhaftiert.

Die Bundesregierung äußerte sich am Montag auch zu türkischen Asylanträgen in Deutschland. Der »Spiegel« hatte am Wochenende berichtet, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lägen 262 Anträge türkischer Diplomaten und Soldaten vor, von denen noch keiner entschieden sei.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte dazu, es handele sich um Anträge von 151 Inhabern türkischer Diplomatenpässe und 111 Inhabern sogenannter Dienstpässe. Ob unter ihnen auch Militärangehörige seien, werde nicht gesondert erfasst. Sie betonte, dass bei Asylanträgen jeder Einzelfall geprüft werde. Derzeit sei das Bamf noch mit der Abarbeitung von »Altfällen« beschäftigt. Agenturen/nd

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