Europas Schicksalswahl

Das Votum zum französischen Präsidenten entscheidet auch über die Zukunft der EU

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Frankreich, so sieht es die selbst ernannte politische Mitte in Frankreich wie in Deutschland, könnte bald in die Hände von Extremisten gelangen. Dann nämlich, wenn am Sonntag die als rechts- und linkssextrem apostrophierten Kandidaten Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon in die Stichwahl um das französische Präsidentenamt einziehen. Das ist, obgleich die meisten Umfragen die Front-National-Vorsitzende zusammen mit dem gerne als sozialliberal charakterisierten Emmanuel Macron an der Spitze sehen, nicht unwahrscheinlich. Denn der 65-jährige Mélenchon liegt nur knapp hinter den beiden - ebenso wie der von Skandalen gebeutelte François Fillon. Sollte die Stichwahl tatsächlich zwischen Le Pen und Mélenchon bestritten werden, befürchten EU-Politiker wie Pierre Moscovici sogar »das Ende Europas, wie wir es kennen«. Damit hat er - nüchtern betrachtet - recht. Doch seine Aussage schließt ein, der Zustand Europas bedarf keiner grundlegenden Änderung, die verdeckte Wahlaufforderung lautet: Wählt keine Radikalen.

Aus dem Blick gerät dabei, dass der Status quo der EU keineswegs ein guter ist - siehe soziale Ungleichheit, deutsches Austeritätsdiktat und Verschuldungskrise. Genau darauf zielt Mélenchons Kritik, dessen Programm zwar auf eine Änderung der EU zielt, aber im Grunde ein ökologisch-keynesianisches ist.

Das Programm des Lieblingskandidaten der herrschenden europäischen Eliten indes steht in der Kontinuität der Politik, die in den letzten Jahrzehnten für Deindustrialisierung und zunehmende soziale Unsicherheit verantwortlich war. Macron ist weniger sozialliberal denn neusozialdemokratisch und vom Neoliberalismus beeinflusst. Die gesellschaftlichen Spaltungslinien, mitverantwortlich für den Aufstieg der Rechten, drohen somit von ihm noch vertieft zu werden. gsp Seiten 2 und 3

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal