G20-Gipfel: Linke Option wieder sichtbar machen

Daniel Knopp ist der Meinung, dass die Proteste gegen das Treffen in Hamburg die Linke stärken können

  • Daniel Knopp
  • Lesedauer: 4 Min.

Warum mobilisiert die Linke eigentlich zu den G20-Protesten nach Hamburg? Ist die Zeit der Gipfelproteste nicht längst vorbei? Ist die linke Kritik an der neoliberalen Globalisierung nicht längst angekommen? Haben wir nicht eigentlich sehr viel Besseres zu tun? Diese Fragen stellten die Bewegungsaktivisten Tadzio Müller und Alexis Passadakis im »nd«. Der Versuch einer Antwort.

Wenn wir über linke Handlungsoptionen diskutieren wollen, müssen wir uns zuerst über die Ausgangsvoraussetzungen verständigen. Und die sehen nicht rosig aus. Die Linke befindet sich in der Defensive. Der globale Finanzcrash 2007/2008 stieß zwar ein Möglichkeitsfenster auf, die neoliberale Hegemonie schien gebrochen, aber substanzielle politische Veränderungen konnten nicht bewirkt werden. Zwar gab es Bewegungen, die das versucht haben – Occupy und auch der arabische Frühling gehörten dazu –, aber die Bewegungen sind in vielerlei Hinsicht gescheitert. In Europa wie auch in den USA blieben sie weitgehend folgenlos. Im arabischen und nordafrikanischen Raum wurden teilweise katastrophale Entwicklungen in Gang gesetzt.

Der Autor

Daniel Knopp ist seit Jahren in der Interventionistischen Linken aktiv. Er organisiert die G20-Proteste mit.

In jüngerer Vergangenheit konnte eine ganze Reihe von linken Niederlagen bzw. Erfolgen der Rechten nicht verhindert werden: die SYRIZA-Niederlage im Sommer vor zwei Jahren, die Etablierung der Abschiebekultur in Deutschland als Antwort auf den kurzen Sommer der Migration, die Anschläge in Frankreich, Belgien, Deutschland und die damit verbundene Verschärfung des Sicherheitsdiskurses, der Brexit, die Wahl von Donald Trump, das Türkei-Referendum und – nicht zuletzt – das Ende der Linkswende in Lateinamerika.

Zwar ist die Hegemonie der alten Eliten und ihres neoliberalen Projekts längst nicht wiederhergestellt, aber herausgefordert werden sie nicht durch die Linke, sondern durch die neue Rechte. Diese beiden gesellschaftlichen Pole – alte Eliten, neue Rechte – kämpfen um Deutungshoheit und um die politische Macht. Ihr Konflikt strukturiert das politische Terrain.

Die linke Option hingegen ist in vielen Bereichen nicht mehr sichtbar. Sie existiert nicht als kollektives politisches Projekt. Walter Benjamin hat die These vertreten, dass dem Aufstieg des Faschismus eine gescheiterte Revolution vorausgehe. Das trifft in gewisser Weise auch auf die gegenwärtige Situation zu. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns die Frage stellen, ob die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg Sinn ergeben.

Was können wir in Hamburg gewinnen? Erstens ist es natürlich politisch richtig, Widerstand zu leisten gegen die G20. Im Prinzip hat sich gegenüber der Ära der globalisierungskritischen Bewegung nichts verändert: Die neoliberale Weltordnung hält große Teile der Bevölkerung des globalen Südens in Hunger und Armut. Ein Unterschied ist zwar, dass nach dem Finanzcrash 2007/2008 die Schwellenländer mehr als bisher an der Frage der Regulierung des globalen finanzmarktdominierten Kapitalismus einbezogen werden (aus G8 wurde G20). Aber eine grundlegende Transformation des verheerenden Systems oder auch nur relevante Reformen sind nicht in Sicht.

Zweitens könnten die Proteste in Hamburg, werden sie tatsächlich so groß und international, wie es sich bereits abzeichnet, eine wichtige Rolle bei der Formierung einer wahrnehmbaren linken Alternative spielen. Der G20-Gipfel ist unsere Chance, eine dritte Option jenseits von Status quo und rechtspopulistischer Machtübernahme wieder ins Spiel zu bringen. In dieser Hinsicht ist die Vision einer globalisierungskritischen Bewegung 2.0 keineswegs politisch überholt, sondern mehr als wünschenswert.

Und letztlich wird der G20-Gipfel ein Testlauf dafür sein, ob die alten Eliten und die neue Rechte eine Ebene der Kooperation finden werden. Das Finanzministertreffen der G20 in Baden-Baden hat gezeigt, dass zwischen den USA und dem Rest der G20 wesentliche Differenzen in Bezug auf Klimaschutz und Welthandel bestehen. Hier müssen wir eingreifen und unseren Teil dazu beitragen, dass es zu keiner Übereinkunft der beiden politischen Lager kommt. Die G20 als Bühne für eine Kooperation der neuen Rechten und der alten Eliten wäre ein schlechtes Szenario für die linke Option weit über den Gipfel hinaus. Wir können das beeinflussen. Wir sollten diese Chance nicht ungenutzt lassen.

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