»Monsanto steht für Piraterie, Gift und Krankheit«

Der ehemalige Leiter der Saatgutbehörde Paraguays, Miguel Lovera, nimmt an den Protesten gegen die Übernahme teil

  • Lesedauer: 3 Min.

Seit 2012 dürfen Monsanto und andere Saatguthersteller in Paraguay gentechnisch verändertes Saatgut verkaufen. Was hat sich seitdem verändert?
Seit dem Staatsstreich gegen Fernando Lugo 2012 lebt das Land in einem Zustand der völligen landwirtschaftlichen Deregulierung. Es gibt mehr Landkonflikte, letztlich wird ein chemischer Krieg gegen die Landbevölkerung geführt. Denn die Ausbringung von Agrargiften durch industrielle Landwirtschaft ist auch eine Taktik, um die Kleinbauern zu zermürben, damit diese ihr Land aufgeben.

Gibt es Widerstand?
Es gibt Organisationen, die Widerstand organisieren. Aber die Realität ist, dieser Widerstand ist nicht ausreichend. Es gibt kleine Kolonien von Kleinbauern, aber die Agrarindustriellen schaffen es, innerhalb dieser Kolonien Landwirte dazu zu bringen, ihr Land zu verkaufen oder - über juristische Tricks - aufzugeben. Dann bauen sie auf diesem kleinen Stück Land gentechnisch verändertes Soja an und drängen so der ganzen Region nach und nach ihr System auf.

Mit der Gentechnik eng verbunden ist der Einsatz von Pestiziden. Welche Mittel sind in Paraguay das Problem?
Das wichtigste Mittel ist Roundup von Monsanto. Früher gab es wesentlich mehr Chemikalien, aber dann kam Monsanto mit der Idee, mit der Kombination von Gensoja und Roundup ein System anzubieten und dieses als unschädlich anzupreisen. Dadurch wurden die anderen Produkte vom Markt verdrängt. Doch es wird immer klarer, dass es sich dabei um eine Farce handelt. Roundup verliert über die Zeit seine Effizienz und wird dann in immer größeren Mengen ausgebracht. Mittlerweile sind 20 Unkräuter resistent.

Nun verkauft sich Monsanto auch als Unternehmen, das Kleinbauern unterstützt. Warum nutzen diese die Produkte nicht?
Die Frage ist doch, was will die Landbevölkerung? Sie will ihren eigenen Lebensstil weiterführen. Das bedeutet, die Menschen wollen eine kleinbäuerliche Landwirtschaft betreiben, mit der sie sich selbst ernähren können. Dieser Produktionsstil verträgt sich auch mit der Umwelt. Monsanto dagegen bietet eine Technik an, die teuer ist und die Umwelt zerstört. Zudem wird gar kein Essen produziert, denn Gensoja dient in erster Linie als Futtermittel. Und letztendlich bedeutet das, man muss auf kommerzielle Landwirtschaft umsteigen. Das gleiche gilt für den gentechnisch veränderten Mais, der sich sehr von den traditionellen Sorten unterscheidet. Mais hat eine lange Tradition in Paraguay, es gibt hier 90 Sorten. Die Agrarindustrie bietet Kleinbauern nur 10 bis 15 Sorten an, die sich auch noch sehr ähneln. Sie brauchen alle unterschiedliche Düngemittel, Bewässerungsanlagen und sind sehr anfällig für Klima- und Bodenveränderungen. Die traditionellen Maissorten sind hier besser angepasst.

Mit der Übernahme steht Bayer als neuer Player im Raum. Gibt es bereits Erfahrungen mit dem Unternehmen?
Das Unternehmen gilt als eines der wenigen, das die Gesetze einhält. Legal zu agieren, kann sich Bayer erlauben, weil es einen sehr spezialisierten Markt gibt. Bayer ist in Paraguay Marktführer bei den Fungiziden, aber spielt bisher nicht im großem Markt mit, in dem viel dreckiger gespielt wird.

Allerdings unterscheiden sich Monsanto und Bayer in ihrem Bild von Landwirtschaft nicht sehr …
Das mag sein, aber Monsanto bietet schon ein ganz besonderes industrielles Paket an, mit dem 90 Prozent des Sojas weltweit angebaut wird. Damit ist es Agrarunternehmen möglich, nur eine einzige Person für 480 Hektar Soja anzustellen. Das ist ausschließlich gut für Großproduzenten und Exporteure, also die Agrarindustrie.

Bei Bayer wird offen darüber spekuliert, dass der Name Monsanto aufgegeben werden könnte …
Das würde Bayer wahrscheinlich sehr helfen. Nur sehr wenige Leute haben eine positive Sicht auf Monsanto und die haben direkt mit dem Unternehmen zu tun. Für viele andere steht Monsanto für Piraterie, Gift und Krankheit. Der Konzern hat viel Schaden angerichtet und Bayer kauft diese Schuld mit.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.