Marx rumort im Uni-Depot

Jena will eine Büste des großen Philosophen wieder aufstellen - bei der CDU läuft man Sturm

  • Doris Weilandt, Jena
  • Lesedauer: 4 Min.

Gerade jährt sich der Abbau der Karl-Marx-Büste an der als Via Triumphalis bezeichneten Gedenkstraße für die Großen der Friedrich-Schiller- Universität (FSU) zum 25. Mal. Doch es ist sicher nicht diesem dubiosen Jubiläum geschuldet, dass nun der Stadtrat der thüringischen Stadt mit Zweidrittelmehrheit beschlossen hat, Gespräche zur Wiederaufstellung aufzunehmen. Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) ist damit beauftragt, denn die vom Bildhauer Will Lammert (1892 bis 1957) im Jahr 1953 geschaffene Bronze befindet sich im Besitz der Hochschule.

Es gab in der Vergangenheit bereits mehrere Versuche, sie aus dem Depot herauszuholen. Aber die jetzigen Bemühungen könnten von Erfolg gekrönt sein. Schließlich plant die Stadt, sich damit beim Gedenken zum 200. Geburtstag von Marx im kommenden Jahr einzureihen. Marx wurde in Jena am 15. April 1841 »in absentia« (in Abwesenheit) mit »summa cum laude« promoviert. Der Titel seiner Promotionsschrift lautet: »Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie«. Obwohl der Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus nie in Jena gewesen ist, ist die Stadt durch die Promotion auch international mit seinem Namen verbunden. Andere Kommunen wie die Marx-Geburtsstadt Trier in Rheinland-Pfalz wissen längst um den Wert seiner Persönlichkeit. Dort scheut man sich nicht, etwa Geschenke von Marx-Freunden aus China entgegen zu nehmen. Der Plan, an zentraler Stelle eine kolossale Marx-Plastik aufzustellen, ist ein Zeichen, das weit über die Stadt Trier hinaus strahlt.

Um die Anziehungskraft des Namens weiß man auch in Jena. Das Internationale Büro der FSU, das sich um ausländische Studierende kümmert, unterhält in Peking seit 2007 eine eigene Zweigstelle. In Broschüren und auf der Webseite wird mit Marx geworben. Die Chinesen stellen inzwischen die größte Gruppe der ausländischen Studierenden an der FSU mit insgesamt 400. Marx und Jena gehören für sie zusammen. »Es ist immer eine Frage, auch bei Delegationen«, sagt Claudia Hillinger, die Leiterin des Internationalen Büros. »Aber ich kenne keinen Studenten, der nur wegen Marx nach Jena kommt.«

Georg W. F. Hegel, der seine Universitätskarriere in Jena begann und dem Marx als Jung- und Linkshegelianer in Berlin anhing, ist für die philosophische Forschung für viele Chinesen auch attraktiv. Altrektor Klaus Dicke war mehrfach in China unterwegs, um wissenschaftlichen Austausch und Forschungskooperationen voran zu bringen: »Ich denke schon, dass Marx eine große Rolle spielt. Die Chinesen kennen die Geschichte. Sie finden über ihn einen Zugang zu Fichte und Hegel als seine Vorläufer.« Neben Geisteswissenschaften studieren junge Chinesen in Jena vor allem naturwissenschaftliche Disziplinen wie Biologie oder Photonik. Ein Studium an der FSU ist eine gute Eintrittskarte in das akademische Berufsleben im Heimatland - vorausgesetzt, die Noten stimmen.

Den Antrag, die Marx-Büste wieder öffentlich zu präsentieren, hat die LINKE im Stadtrat eingereicht. Spätestens seit 2013 das Kommunistische Manifest und das Kapital (Erster Band) in die Liste des Weltdokumentenerbes aufgenommen wurden, fanden es die Mitglieder der Stadtratsfraktion an der Zeit, eine Neubewertung vorzunehmen. Dass der aktuelle Beschluss jetzt eine so große Mehrheit fand, empört die Gegner in der CDU sehr. Auf der Homepage der Partei ist die Plastik mit dicken roten Balken durchgestrichen. Darüber steht: »Keine DDR-Propaganda im öffentlichen Raum«. Für die CDU wäre es »schädigend für den Ruf Jenas als weltoffene und demokratisch gesinnte Stadt«, wenn die Marx-Büste einen Platz in der guten Stube der Kommune bekäme.

Weltoffenheit sieht allerdings anders aus, wie nicht nur das Beispiel von Trier zeigt. Wuppertal, die Vaterstadt des Marx-Freundes Friedrich Engels, baut im Vorfeld von dessen 200. Geburtstag im Jahr 2020 ein neues Besucherzentrum an das historische Geburtshaus. Damit will sie sich mehr als bisher auf chinesische Touristen einstellen. Fast zehn Millionen Euro sind dafür eingeplant. Die überlebensgroße Figur des Philosophen, ein vom Sockel geholter Engels, schenkte die Volksrepublik der NRW-Stadt bereits 2014. Sie ist mit fast vier Metern genauso groß wie eine abstrakte Darstellung des Kampfes von Kapital und Arbeit von Alfred Hrdlicka mit dem Titel »Die starke Linke«, die sich in der Nähe befindet. Hier ist ein Dialog zwischen einem kommunistischen Land und einer westlichen Demokratie offenbar ohne ideologische Aufgeladenheit möglich.

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