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Auf die Thigh Gap gepfiffen

Dokufilm »Embrace«

Die Debatte ist wohl mindestens so alt wie das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop. Frauen und die Vermessung ihrer Körper. Kein Wort von ihren Dellen, den weichen Stellen, am Bauch, an der Hüfte. Stattdessen omnipräsente flache, nach innen wachsende Bäuche, definierte Oberarme, Schlüsselbeine, Beinchen, Size Zero. Thigh Gap, die wichtig zu sein scheint, und das deshalb, weil die Oberschenkel so dünn sein sollten, dass sie sich beim Stehen nicht berühren. Einige haben schon probiert, gegen das Dürrsein als Normalsein zu protestieren. Die Firma Dove, die vor zwölf Jahren mit ihrer »real beauty«-Kampagne für wohlwollendes Nicken sorgte, weil sie normalgewichtige Frauen für ihre Creme-Werbung abbildete, war geschickt darin, Marketing und Haltung zu verbinden.

Seitdem gab es immer mal wieder Versuche, ein weibliches Körperbewusstsein in der Öffentlichkeit zu etablieren, das losgelöst von Vogue-Covern und Haute-Couture-Laufstegen existiert. Vergebens. Jüngstes Beispiel ist der durch sein gesponsertes Vom-Himmel-Fallen berühmt gewordene Extremsportler Felix Baumgartner, der eine österreichische Moderatorin öffentlich wegen ihrer Figur verspottete, weil sie sich erdreistete, ihn wegen eines sexistischen Facebook-Posts zu kritisieren.

Werbekampagnen und Essays, die sich gegen den weiblichen Körperkult und das Streben nach Perfektion wenden, gibt es reichlich, nun widmet sich eine Kinodokumentation Frauen, die ihren Weg abseits des Figurterrors gefunden haben oder ihn finden sollen. Mitproduziert hat »Embrace - Du bist schön« Nora Tschirner, die das spendenfinanzierte Projekt der australischen Regisseurin Taryn Brumfitt mit viel Geld unterstützte. Brumfitt wurde schlagartig gekannt, als sie sich nach der Geburt ihres dritten Kindes nackt fotografieren ließ, daneben geschnitten, ein Bild von ihr, mitten in ihrer Körperwahnphase, als sie für einen Bodybuildingwettkampf posierte. Im Film sind Frauen zu sehen, die sich wohlfühlen, wie sie sind, dafür aber harte Kämpfe mit sich selbst ausgefochten haben und Frauen, die unglücklich sind, weil sie sich für ihre Oberschenkel, Cellulitis oder den Bauch schämen.

Schon der Trailer verrät, dass es hier vor allem um das Mutmachen geht, spricht er doch nur aus, was wir alle längst wissen: Es gibt nicht den einen perfekten Körper. »Der Film hat mir die Augen geöffnet«, sagt eine weibliche Stimme aus dem Off. Einen Felix Baumgartner wird er nicht berühren.

»Embrace« läuft deutschlandweit einmalig am 11. Mai in 200 Kinos. Danach wird der Film auf DVD erhältlich sein.

Infos: www.embrace-derfilm.de

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