Bierpreisbremse lässt Wiesn-Wirte schäumen

München will Oktoberfest-Akteure an höheren Sicherheitskosten beteiligen, die Weitergabe an Gäste aber verhindern

  • Sabine Dobel, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Das teure Bier auf der Wiesn, das ist in München ungefähr so ein Gesprächsthema wie andernorts das schlechte Wetter. In diesem Jahr will der Wiesn-Chef und zweite Bürgermeister Josef Schmid den Höchstpreis für die Maß für drei Jahre bei 10,70 Euro einfrieren, dem Maximalpreis des Vorjahres. Das ungewöhnliche Konstrukt eines von öffentlicher Seite verhängten Preisdiktats hatte sich Schmid extra bei den Wettbewerbshütern im Freistaat absichern lassen: Die Kartellbehörde gab grünes Licht.

Der Vorschlag sorgte allerdings für frostige Stimmung zwischen Wiesn-Chef und Wirten. Und heizte die Stimmung im Rathaus auf. Zeitweise argwöhnten Medien, das Rathausbündnis aus SPD und CSU stehe auf der Kippe. Das wurde freilich dementiert: Auseinandersetzung gehöre zum politischen Geschäft. Und so wichtig sei der Bierpreis nun wirklich nicht, dass daran ein Rathausbündnis zerbreche.

Für Mittwoch steht das Thema nun auf der Tagesordnung des Stadtrats. Im Wirtschaftsausschuss war es vergangene Woche vertagt worden, auf Antrag der Grünen, weil zwei der drei Ausschussmitglieder auf Reisen waren. Schmids Konzept ist so umstritten, dass viele es lieber in großer Runde debattieren wollten. Schmid wollte es bereits im März durch den Wirtschaftsausschuss bringen - doch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nahm das Thema nicht auf die Tagesordnung. Die Bierpreisbremse ist nur ein Teil von Schmids Maßnahmenpaket, bei dem es um die Finanzierung von fünf Millionen Euro Zusatzkosten für Sicherheitsvorkehrungen wegen der Terrorgefahr geht. Vor allem die zusätzlichen Ordner für Eingangskontrollen schlugen 2016 zu Buche. Schmid will sich das Geld über eine Umsatzpacht von den Wirten holen. Vor einigen Wochen hatte er vorgerechnet, dass bei einem geschätzten Umsatz der Bierzelte von 300 bis 400 Millionen und fünf Prozent Pachtanteil die Stadt ihre Einnahmen gegenüber der bisherigen Standgebühr verdoppeln könnte. Damit die Wirte die Mehrkosten aber nicht über den Bierpreis an die Besucher weitergeben, will er die Bierpreisbremse. Die Verlängerung der Wiesn um einen »Münchner Tag« könnte die Mehrbelastung der Wirte etwas abfedern, so sein Vorschlag. Bei der Umsatzpacht anstelle der Standgebühr könnte es zu einer Einigung kommen. Der Bierpreisdeckel hingegen brachte nicht nur die Wirte zum Schäumen. Die Stimmung zwischen dem SPD-OB und seinem CSU-Vize kühlte darüber erheblich ab. Reiter verdonnerte Schmid, den Streit mit den Wirten rasch zu lösen; Schmid konterte, er brauche keine Nachhilfe in Dialogfähigkeit. Und auch im Stadtrat rumpelte es. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl und CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl bekamen sich in die Haare. Pretzl soll in interner Runde vorgeschlagen haben, die Sicherheitskosten über eine Erhöhung des Bierpreises hereinzuholen. Als Reissl darüber öffentlich plauderte, eskalierte der Streit. Der Vorwurf der Lüge stand im Raum. Inzwischen hätten sich beide versöhnt, heißt es.

Die Wirte, die hocherzürnt auf Schmid geschimpft hatten, haben zuletzt stillgehalten. Zumindest was die Bierpreisfrage angeht, könnten sie im Stadtrat womöglich genügend Fürsprecher haben.

Die großen Parteien halten sich kurz vor dem Ratsplenum bedeckt. Die Grünen aber kritisieren: »Weder der Bierpreis noch der Verlängerungstag ist mit zu uns zu machen«, sagt Stadträtin Lydia Dietrich. Die Bierpreisbremse sei populistisch - und höchstwahrscheinlich würden damit andere, nicht alkoholische Getränke teurer. »Biertrinken ist dann günstiger. Dieses Signal möchte ich nicht aussenden.« Überhaupt sei es in einer freien Marktwirtschaft Sache der Wirte, wie sie ihre Preise gestalteten. Bei der Umsatzpacht hingegen seien die Grünen offen. Allerdings müssten die Zahlen geprüft werden. dpa/nd

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