Tausend Augen der Jobcenter

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

»Hoch die Arbeit, so hoch, dass niemand dran kommt«. Mit diesem lustigen Titel wird eine Berliner Veranstaltung angekündigt, auf der Harald Rein aus Frankfurt am Main an die heute weitgehend vergessene Geschichte der westdeutschen JobberInnenbewegung erinnern wird.

Vor 30 Jahren wehrten sich in verschiedenen Städten Erwerbslose gegen die Zurichtung zur Arbeit. Sie propagierten offen den Kampf für ein schönes Leben ohne die Lohnarbeit. Der Aktivist Harald Rein ist bereits zum Chronisten dieser Bewegung geworden. Die Veranstaltung wird im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Die 1000 Augen der Jobcenter« stattfinden.

Organisiert wird sie von der überwachungskritischen Gruppe Seminar für angewandte Unsicherheit (SaU). Der Name erinnert noch an die Entstehung der Gruppe im studentischen Milieu nach den islamistischen Anschlägen vom 11. September. Anfangs sensibilisierte sie mit ihren Diskussionsveranstaltungen, Filmabenden und Spaziergängen für die massive Präsenz von Kameras im öffentlichen Raum. Sie beteiligte sich auch an den großen Demonstrationen, bei denen unter dem Motto »Freiheit statt Angst« Tausende gegen die unterschiedlichen Formen von Überwachung auf die Straße gingen.

Beim Thema Überwachung kommen vielen Menschen noch immer vor allem Kameras im öffentlichen Raum sowie Telefon- und Internetdurchforschung in den Kopf, sie denken nicht unbedingt an Jobcenter. Doch im Gegensatz zum Gros der Datenschutzbewegung verband das SaU den Kampf gegen Überwachung mit einer linken Gesellschaftskritik. »Wer von Überwachung redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen«, so lautete die Devise.

Im letzten Jahr organisierte das SaU die erste Veranstaltungsreihe unter dem Titel »Die 1000 Augen der Jobcenter«. Dort wurden unterschiedliche Formen von Überwachung, Kontrolle und Disziplinierung der Erwerbslosen durch die Jobcenter thematisiert. Die Veranstaltungen waren auch ein Ort des Austausches zwischen aktiven Erwerbslosen und jungen Wissenschaftlern. Die Organisatoren waren selbst überrascht, wie gut die Veranstaltungen besucht waren und dass viele Erwerbslose unter den ZuhörerInnen waren. Daher war für sie schnell klar, dass sie die Reihe fortsetzen würden.

In der bevorstehenden Veranstaltungsreihe will sich das SaU nun zuerst am 10. Juni mit Disziplinierungspraktiken und dem besonderen Sanktionsdruck gegen Erwerbslose unter 25 Jahren beschäftigen. Gerade in einer Zeit, in der Politik der Agenda 2010 meist nur im Detail kritisiert wird und schon neue Nachfolgeprojekte in den Schubladen der Politiker liegen, ist eine solche Veranstaltungsreihe absolut sinnvoll. Denn hier wird endlich einmal wieder fundamentale Hartz IV-Kritik geübt. Alle Veranstaltungen der Reihe werden im Berliner Stadtteilladen Zielona Gora stattfinden.

unsicherheit.tk/ veranstaltungsreihe-jobcenter

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