Tschüss Klingenberg

Als erstes Bundesland bereitet Berlin den Ausstieg aus der Kohle vor – am Donnerstag wird das Gesetz eingebracht

  • Susanne Schwarz und Eva Mahnke
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Donnerstag ist es soweit. Dann berät das Abgeordnetenhaus in erster Lesung über eine entsprechende Novelle des Berliner Energiewendegesetzes, die der Senat bereits am vergangenen Dienstag beschlossen hatte. Die Kernaussage des Gesetzentwurfs: Bis 2030 will Berlin keine Kohleenergie mehr benutzen, die unter allen Energieformen die meisten CO2-Emissionen verursacht.

Aus der Braunkohle, die noch klimaschädlicher ist als Steinkohle, will das Land Berlin bereits dieses Jahr aussteigen. »Politisch ist das sehr bedeutsam, denn Berlin ist das erste Bundesland, das einen Kohleausstieg mit einem Gesetz verbindlich macht«, sagt Georg Kössler, der für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt. »Worauf die Klimabewegung jahrelang hingearbeitet hat, ist nicht nur in den Köpfen, sondern auch in den Parlamenten angekommen.« Kössler erhofft sich, dass nun auch andere Bundesländer und vor allem der Bund nachziehen werden – »wenn sogar ein Kohleland wie Berlin sich so ein Ziel setzen kann«. Vor allem die Wärmeversorgung läuft in Berlin derzeit über Kohle.

Auch Michael Efler, klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, erkennt die Bedeutung des Kohleausstiegs in der Hauptstadt an. »Von der Dekarbonisierung bis 2050 sind wir noch meilenweit entfernt – der Kohleausstieg ist da ein wichtiger Schritt«, sagt er.

Das Ziel Kohleausstieg könnte bald mit großer Wahrscheinlichkeit Gesetzeskraft erlangen, die Umsetzung muss jedoch noch ausgestaltet werden. Dazu stellen sich verschiedene Fragen: Wie wird der Ausstieg genau ablaufen, wie wird sich Berlin künftig mit Energie versorgen und wann geht nun wirklich das letzte Kohlekraftwerk vom Netz?

Dazu ist unter anderem eine Machbarkeitsstudie geplant. Auch diese gibt indes Anlass für Debatten, die die Senatskoalition derzeit noch intern austrägt, nämlich etwa inwieweit man den Energiekonzern Vattenfall in diese Studie einbeziehen will. Bestimmte firmeninterne Daten braucht man ohnehin von ihm – aber sollte das schwedische Staatsunternehmen auch an der Studie mitschreiben oder diese gar finanzieren?

Außerdem berät die Koalition noch darüber, wie der Kohleausstieg hieb- und stichfest gemacht werden kann – damit er politisch nicht etwa durch eine weitere Novelle des Energiewendegesetzes rückgängig gemacht werden kann.

Die Klimasenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) hat damit eine ihrer Kernaufgabe für die Legislatur bekommen. Sie könnte es zu ihrem Vermächtnis machen, dass sie den ersten Kohleausstieg eines Bundeslandes in sichere Bahnen gelenkt hat – wenn ihr das denn gelingt. Günther wirbt indes damit, dass die Umstellung nicht nur Vorteile fürs Klima hat – schließlich würden dadurch neben den Emissionen von CO2 auch die von Feinstaub, Schwefeldioxid und Schwermetallen sinken. »So wird Berlin nicht nur klimafreundlicher, sondern auch gesünder«, sagt sie. »Darüber hinaus werden durch die Umstellung Modernisierungsimpulse gesetzt.«

Unter dem Motto »Tschüss Klingenberg – Ahoi Steinkohleausstieg« wollen Klimaaktivisten am kommenden Sonntag mit einer Bootsparade auf der Spree gegen die Kohle demonstrieren. Um 12 Uhr sollen Kanus, Ruderboote, Flöße und sonstige schwimmfähige Untersätze in der Rummelsburger Bucht in der Nähe des S-Bahnhofs Ostkreuz zu Wasser gelassen werden. Um 13 Uhr startet die Bootsparade, zu der das Bündnis »Kohleausstieg Berlin« aufruft, dem verschiedene klimapolitisch aktive Organisationen angehören. »Wenn wir am 21. Mai 2017 die Sektkorken knallen lassen, um auf die Abschaltung von Klingenberg anzustoßen, ist das deshalb zugleich ein Signal an Vattenfall und Rot-Rot-Grün«, schreiben die Initiatoren.

Klingenberg im Osten der Stadt ist eines der noch sechs Kohlekraftwerke – die mit Braunkohle betriebene Anlage soll nur noch in diesem Monat Strom und Wärme erzeugen und wird dann auf Gas umgestellt. Das ist zwar immer noch ein fossiler Treibstoff, verursacht aber dennoch weniger Treibhausgase als Kohle. »Wir werden keine Ruhe geben, bis der Kohleausstieg beschlossen und das letzte Kraftwerk vom Netz ist.« Geht es nach den Aktivisten, ist das im Übrigen bereits im Jahr 2020 der Fall.

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