Das falsche Bild der Bundeswehr

Der Wirbel um ein Wehrmachtsfoto von Helmut Schmidt und die Tradition der Truppe

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Altkanzler Helmut Schmidt machte nie einen Hehl aus seiner Zeit bei der Wehrmacht. Immer wieder betonte er, wie sehr ihn die Zeit als Offizier geprägt habe. Sein damaliger Innenminister Gerhart Baum (FDP) urteilte in einem Nachruf für den 2015 verstorbenen SPD-Granden: »Er ist gewissermaßen bis an sein Lebensende Offizier geblieben.« Weil Schmidt für den scheinbar integren Teil der Wehrmacht stand, hing ein Foto, das ihn in Wehrmachtsuniform zeigte, lange in den Räumen der Bundeswehruniversität in Hamburg, die auch seinen Namen trägt.

Seit wenigen Tagen hängt das Bild dort nicht mehr. Im Zuge der Affäre des unter Terrorverdacht stehenden rechtsextremen Oberleutnants Franco A. ließ Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Kasernen nach Andenken an die Wehrmacht durchsuchen. Am Mittwoch erklärte die Ministerin die Durchsuchungen für beendet. In den letzten Tagen sei man dabei auf 41 weitere Wehrmachtsandenken gestoßen. Keiner der Funde habe das Ausmaß der Fälle von Illkirch und der Fürstenberg-Kaserne in Donaueschingen, wo ein Besprechungsraum mit Wehrmachtssouvenirs dekoriert war. Insgesamt habe sie in der Truppe eine »erhebliche Handlungsunsicherheit« beim Umgang mit der Vergangenheit festgestellt, die sie mit der bereits angekündigten Überarbeitung des 35 Jahre alten Traditionserlasses beseitigen wolle, so von der Leyen. Es müsse eine »Nulllinie« gezogen werden, ab der Wehrmachtsgegenstände nicht mehr ohne historische Einordnung stehen dürfen.

Der Traditionserlass aus dem Jahre 1982 hat »einige Hintertürchen«, wie die Ministerin sagte, schließlich erlaubt er das Ausstellen von Wehrmachtsandenken in Kasernen. Stahlhelme und Uniformen müssen aber der »politischen oder historischen Bildung dienen«, also in einem entsprechendem Rahmen präsentiert werden. Die Leitung der Bundeswehr-Universität wollte wohl kein Risiko eingehen und ließ das fragliche Schmidt-Bild aus dem Flur eines Studentenwohnheims entfernen.

Die Reaktionen folgten prompt. Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), der deutsche Soldaten 1999 in ihren ersten Krieg seit 1945 führte, übte scharfe Kritik an der Entfernung. »Das ist billig. Mehr noch, es ist empörend«, schrieb Scharping in einem Beitrag für die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. »Hexenverbrennung hätte man das früher wohl genannt.«

Von der Leyen verteidigte die Entscheidung. Der frühere Kanzler habe die Bundesrepublik »maßgeblich mit geprägt«. Allerdings sei das Bild in Wehrmachtsuniform »ohne jegliche historische Einordnung« gewesen. Es gebe auch andere Aufnahmen von Schmidt, etwa in Bundeswehruniform. Der Wehrmachtsoffizier Schmidt soll kein Vor- und Leitbild mehr sein.

Auch wenn sich einzelne Soldaten wie Schmidt korrekt verhalten haben, so waren sie doch Teil einer mörderischen Kriegsmaschinerie, die verbrecherischen Zielen diente. Saubermann Schmidt etwa half als Offizier dabei, die Blockade um Leningrad aufrecht zu halten. Diese Blockade kostete bekanntermaßen 1,1 Millionen Menschen das Leben.

Von der Leyen bekräftigte am Mittwoch zudem, an der Umbenennung von nach Wehrmachtsgrößen benannten Kasernen festzuhalten. Zuvor hatte sie bereits in einer Rede vorm Reservistenverband klargestellt, dass die Wehrmachtsflieger Helmut Lent und Hans-Joachim Marseille »nicht mehr sinnstiftend für die heutige Bundeswehr« seien. Noch aber gibt es die Marseille-Kaserne im schleswig-holsteinischen Appen. Der Bürgermeister der Standortgemeinde betonte gegenüber dem »Hamburger Abendblatt«, dass es in der Gemeinde nie Probleme mit dem Namen Marseille gegeben habe, die Namensänderung aber nachvollziehbar sei.

Im niedersächsischen Rotenburg, dem Standort der Lent-Kaserne, liegen die Dinge anders. Hier stimmten sowohl die Vertreter der dort stationierten Soldaten als auch der Stadtrat gegen eine Umbenennung, wie die dort erscheinende »Kreiszeitung« berichtet. Unterstützung kommt auch von der CDU-Bundestagsabgeordneten Kathrin Rösel, deren Wahlkreis Rotenburg umfasst. Sie halte es »nach wie vor für richtig, wenn über die Namensgebung von Kasernen vor Ort entschieden wird. Das können die betroffenen Soldaten und kommunalen Parlamente am besten«, so Rösel gegenüber der »Kreiszeitung«.

Lent und Marseille sind nicht die einzigen Namenspatrone mit Wehrmachtsvergangenheit. In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es noch eine Rommel-Kaserne.

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