Stunde der Populisten

Mit US-Präsident Trump und Papst Franziskus treffen sich zwei begnadete Darsteller ihrer selbst und ihrer Ämter

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 4 Min.

Wahrlich, das Szenario lässt kein Klischee aus: Der Heilige Vater in Rom (ganz in Weiß) empfängt den unheiligen Landesvater aus Washington (ganz in dunklem Zwirn). Der eine gilt als Papst der Armen, der andere als Präsident der Reichen. Der eine nächtigt, die pompösen Pontifikalgemächer verschmähend, in einem Gästezimmer - eine asketische Marotte, die den Vatikanhaushalt zusätzlich finanziell belastet. Dem anderen ist - gleichsam den gescheiterten Bau zu Babel verhöhnend - ein 58-Etagen-Turm gerade ausreichend für seine Selbstherrlichkeit.

Die Begegnung zwischen dem 266. Bischof von Rom und dem 45. Präsidenten der USA an diesem Mittwoch ist vor allem eines: die Bühne für die beiden derzeit wohl perfektesten und populärsten Darsteller ihrer selbst sowie des jeweiligen Amtes, das sie bekleiden. Der argentinische Jesuit Jorge Mario Bergoglio und der New Yorker Milliardär Donald Trump sind zwei diametral ausgerichtete Populisten: der Gute mit der demonstrativ präsentierten Hypermoral grenzenloser Nächstenliebe, der Böse mit der aggressiv agitierten Unmoral grenzenloser Machtgier.

Ungeachtet der mittlerweile überreichlich strapazierten Klischees gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Weltschauspielern, die durchaus bemerkenswert sind. So warf das britische Wochenblatt »The Spectator« die Frage auf: »Has the Pope Gone Crazy?« - Ist der Papst verrückt geworden? Eine Frage, die Politik und Medien auch mit Blick auf Trump wiederholt gestellt haben. Politische Ausrutscher, verbale Entgleisungen, chaotische Verwaltungseingriffe, unberechenbare Arbeitsweisen sowohl des klerikalen wie des säkularen Herrschers zogen die absolutistische Institution hinter den Leoninischen Mauern ebenso in Mitleidenschaft wie das demokratisch-administrative Gefüge des District of Columbia. Und: Beide, Franziskus wie Trump, haben rührige und rastlose Feinde, die nichts sehnlicher wünschen als den Sturz der aktuellen Amtsinhaber - aus grundstürzend verschiedenen Motiven natürlich. Und: Beide sind sich gegenseitig in herzlicher Gegnerschaft verbunden, aus der keiner von ihnen ein Hehl macht.

Wie auch sollte ein Pontifex maximus, der als erbarmungsloser Kritiker des Kapitalismus (»Diese Wirtschaft tötet«) weltweit zur Ikone linker Aktivisten wurde, einen US-Präsidenten mögen, der hemmungslos dem Mammon huldigt (»Das Schöne an mir ist, dass ich sehr reich bin«)? Wie sollte ein Kirchenführer, der für offene Grenzen eintritt (»Die Migranten sind unsere Brüder und Schwestern«) einen Staatsführer goutieren, der die rigoroseste Abschottung propagiert (»Ich werde eine große Mauer bauen«)? Als Trump Letzteres im Wahlkampf verkündete, intervenierte Franziskus beim Rückflug aus Mexiko auf wenig diplomatische Weise: »Eine Person, die nur daran denkt, Mauern zu bauen, wo immer sie auch sein mögen, baut keine Brücken, ist kein Christ.« Trump konterte das vatikanische Verdikt als »unglaublich« und nannte es »eine Schande«, dass ein religiöser Führer den Glauben einer Person in Frage stelle. Allerdings ist Trump kein Katholik und somit konfessionell dem ächtenden Zugriff des Nachfolgers Petri entzogen. Der jetzige Mann im Weißen Haus wurde religiös im reformierten Milieu einer presbyterianischen Gemeinde des New Yorker Stadtteils Queens sozialisiert. Dem dort aktiven prominenten Prediger und Bestsellerautor Norman Vincent Peale (»Die Kraft des positiven Denkens«) verdankt Trump seine mit christlichen Versatzstücken garnierte selbstertüchtigende Erfolgsideologie.

Doch Franziskus hatte nicht nur Trump brüskiert, sondern auch unmissverständlich demonstriert, welcher der angetretenen Bewerber sein Wunschkandidat für das höchste US-Amt war: Bernie Sanders. Der linke Kontrahent von Hillary Clinton im Lager der Demokraten war von der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften zu einer Tagung über die katholische Soziallehre nach Rom eingeladen worden. In seiner Rede mit dem Titel »Die Dringlichkeit einer Wirtschaftsmoral« geißelte Sanders die internationale Lage in einer Manier, die gewiss das allerhöchste Wohlwollen des Pontifex fand. Dass eine Begegnung mit dem US-Linken ausblieb, war wohl lediglich dem Termindruck des Papstes geschuldet.

In diese vatikanisch-amerikanische Konstellation passt ein Offener Brief, den konservative US-Katholiken kurz nach Trumps Vereidigung an den neuen Präsidenten schrieben. Gefordert wird darin eine Kommission, um die Rolle der Regierung von Barack Obama beim Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. 2013 zu untersuchen. Die Verfasser verweisen auf merkwürdige Begleitumstände: So war der Vatikan damals von sämtlichen internationalen Finanztransaktionen abgeschnitten (Geld- und Kreditkarten waren nicht mehr einsetzbar). Am Tag nach Benedikts Rücktrittserklärung endete das Desaster. Spekulationen, Hillary Clinton und ihr Umfeld hätten einen »Regimewechsel« innerhalb der katholischen Kirche erwogen, wurden durch Wikileaks-Veröffentlichungen genährt.

Fakt ist, dass Benedikt mit seiner dezidierten Islam-Kritik und der Annäherung an die russische Orthodoxie dem Kurs von Obama eher undienlich war. Ein Papst Franziskus, der den »wahren Islam« als »jeder Gewalt« abhold betrachtet, passte zweifellos besser. Mit Trump rechnete da allerdings noch niemand.

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