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Macron, Fänger der Moral

Französische Regierung will ethische Politikstandards - und kommt selbst ins Gerede

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Um die Politik von Grund auf umzukrempeln und auf neue Grundlagen zu stellen, strebt Präsident Emmanuel Macron ihre gründliche »Moralisierung« an. So will er der Politikverdrossenheit entgegenwirken, die sich angesichts der immer zahlreicheren Politskandale ausbreitet. Gleichzeitig will er radikalen Populisten den Wind aus den Segeln nehmen, die den Wählern versprechen, einmal an die Macht gekommen würden sie mit handfesten Methoden »aufräumen«.

Darum gilt der erste Gesetzentwurf der neuen Regierung, der in den nächsten Tagen im Kabinett behandelt und im Juli der neu gewählten Nationalversammlung unterbreitet wird, der »Moralisierung der Politik«. Vorbereitet wird der Text gegenwärtig von Justizminister François Bayrou. Diesem liegt das Thema seit vielen Jahren am Herzen und hat ein entsprechendes Handeln vor Monaten zu einer Bedingung dafür gemacht, sich mit seiner Zentrumspartei Modem dem Präsidentschaftskandidaten Macron anzuschließen.

Das Gesetz soll beispielsweise verbieten, dass Abgeordnete Familienangehörige als Mitarbeiter beschäftigen und vom Parlament bezahlen lassen. Um für eine regelmäßige Erneuerung und Verjüngung des Parlaments, der Regionalräte und der Generalräte der Departements zu sorgen, soll die Zahl der Wahlmandate auf drei nacheinander begrenzt werden. Das Gesetz sieht zudem vor, dass alle Kandidaten nachweisen müssen, dass sie nicht vorbestraft sind und keine Steuerschulden haben. Abgeordnete dürfen künftig nicht mehr nebenberuflich als reichlich entlohnte »Berater« für Konzerne tätig sein, was in der Vergangenheit nur zu oft zu Interessenkonflikten führte. Die pauschale und bisher steuerfreie Aufwandsentschädigung, die die Abgeordneten neben ihren Bezügen erhalten, soll künftig ebenfalls versteuert werden. Für Minister sieht das Gesetz vor, dass sie unverzüglich zurücktreten müssen, wenn die Justiz gegen sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat.

Doch so gut die Regierung diese »Moralisierung« auch meinen mag, sie ist selbst nicht davor gefeit, ins Gerede zu kommen. Gerade einer der engsten Mitkämpfer von Präsident Macron sieht sich mit Vorwürfen in den Medien konfrontiert. Die Vorwürfe gegen Richard Ferrand, Minister für territoriale Zusammenarbeit und Ex-Generalsekretär der Bewegung »En marche«, haben inzwischen das Ausmaß einer Kampagne angenommen. Rechte wie linke Gegner des neuen Präsidenten greifen die Anschuldigungen auf und heizen an.

Am Anfang stand der Bericht der Zeitung »Canard enchainé«, die seinerzeit auch die Affäre Fillon losgetreten hatte. Demnach soll Ferrand 2011, als er noch Generaldirektor der Zusatzkrankenkasse Mutuelle de Bretagne war, die Anmietung eines Gebäudes durch die Kasse betrieben habe, das seiner Lebensgefährtin gehörte. Angekreidet wird ihm auch, dass er als Abgeordneter von der Kasse als »Berater« bezahlt wurde und dass er 2014 vier Monate lang seinen eigenen Sohn als Parlamentarischen Assistenten beschäftigt hat.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft in Brest die Vorwürfe hinsichtlich der Mutuelle de Bretagne erklärt, dass es »keinen Anhalt für strafrechtliches Fehlverhalten« gibt und kein Untersuchungsverfahren eingeleitet wird. Die Beschäftigung seines Sohns bedauert Ferrand. Er sehe ein, dass dieses »seinerzeit übliche Verfahren heute von den Bürgern mit Recht viel kritischer gesehen wird«.

Auch wenn sich Präsident Macron und Premier Edouard Philippe hinter Ferrand gestellt und ihm ihr Vertrauen ausgesprochen haben, flaut die Kampagne nicht ab. Die Sozialistische Partei, deren Mitglied Ferrand war und die ihn als »Abtrünnigen« behandelt, verlangt über die Medien »Aufklärung«. Die konservativen Republikaner, denen die Affäre ihres Präsidentschaftskandidaten Fillon jegliche Chance auf den Sieg entzogen hatte, drohen mit der Justiz und fordern Macron auf, in seiner Regierung »aufzuräumen«. Die rechtsextreme Parteivorsitzende Marine Le Pen, gegen die zwei Verfahren wegen Betrug und Scheinbeschäftigung laufen, fordert Ferrand zum Rücktritt auf.

Während das Europaparlament von der Front National rund fünf Millionen Euro zurückfordert, hat die Partei mit einem Gegenmanöver reagiert. Sie hat dem Parlament eine Liste von 19 französischen Abgeordneten zugestellt, die angeblich selbst Mitarbeiter durch das Europaparlament bezahlen lassen, während sie in Wirklichkeit für die Partei in Paris tätig sind. Dazu gehört ein weiteres Mitglied der Regierung, die Ministerin für Europa-Angelegenheiten im Außenministerin Marielle de Sarnez. Die konnte zwar nachweisen, dass ihr Mitarbeiter tatsächlich regelmäßig in Brüssel und Straßburg tätig ist. Aber: Wie im Fall Ferrand bleibt der Imageschaden.

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