Goldman Sachs finanziert Venezuela

Investmentbank zieht sich wegen Kauf von Staatsanleihen Unmut der Opposition in Caracas zu

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

»Mit dem Geld von Goldman Sachs wird keine Medizin gekauft, sondern Munition und Tränengas, um weiter Menschen zu töten.« Es breche ihr das Herz zu sehen, dass es in ihrem Heimatland keine Medizin mehr gebe, sagte Esther Bake Cohen, eine von etwa 30 Venezolanern, die am Dienstag gegen den Ankauf von Anleihen eines venezolanischen Staatsunternehmens durch die New Yorker Großbank vor deren Sitz in Manhattan protestierten. Esthers Mutter war vergangenes Jahr an Krebs gestorben. Es gab im Venezuela des seit Januar 2016 gegen eine Parlamentsmehrheit der Opposition regierenden Präsidenten Nicolas Maduro keine Medizin.

Nicht nur sie ist empört. In Caracas schrieb Parlamentspräsident Julio Borges, der auch Oppositionsführer ist, einen Protestbrief an Goldman. Abgeordnete forderten ihre Kollegen im US-Kongress auf, eine Untersuchung der Geldspritze von Goldman für das weltweit kritisierte Regime einzuleiten.

Nachdem am Montag Berichte über das Geldgeschäft zu kursieren begannen, räumte die Bank ein, dass sie venezolanische Anleihen gekauft habe. Es soll sich um ein Volumen von 2,8 Milliarden Dollar (2,5 Milliarden Euro) handeln. In einer Erklärung von Goldman Sachs heißt es: »Wir erkennen an, dass die Situation komplex und im Wandel ist und, dass Venezuela in einer Krise ist. Wir stimmen zu, dass das Leben dort besser werden muss. Und wir haben diese Investition zum Teil getätigt, weil wir glauben, dass das geschehen wird.«

Die Bank kaufte Anleihen der staatlichen Ölfirma PDVSA Venezuelas, die schon 2014 ausgegeben worden waren, über den Sekundärmarkt. Mit der venezolanischen Regierung sei man nicht in Kontakt getreten, heißt es in der Erklärung der Bank. Den Wert der gekauften Bonds gab Goldman nicht bekannt. Das »Wall Street Journal« berichtete, dass Goldman 865 Millionen Dollar bezahlt habe, oder 31 Cent für den Wert von einem Dollar. Wenn die Bonds 2022 fällig werden, und bezahlt werden können, hätte Goldman einen Gewinn von 40 Prozent pro Jahr gemacht. Offiziell spricht die Bank nur von einer Gewinnerwartung von sechs Prozent. Goldman könnte sie auch zuvor verkaufen. Sollte Präsident Maduro zurücktreten müssen, würde der Kurs der Anleihen laut Analysten vermutlich in die Höhe schießen.

Parlamentspräsident Borges in Caracas schrieb an die Leitung von Goldman Sachs: Der Anleihekauf bedeute, dass eine der größten Banken der Wall Street eine Regierung stütze, die ständig Menschenrechte und Opposition unterdrücke, während die Wirtschaft Venezuelas zusammenbreche. Leere Verkaufsregale, regelmäßige Stromabschaltungen und andere Zeichen des wirtschaftlichen Niedergangs prägen das Bild des südamerikanischen Landes seit 2014.

»Die finanzielle Rettungsleine für das Regime von Goldman Sachs wird dazu dienen, dass die brutale Unterdrückung verstärkt wird, von hunderttausenden Venezolanern, die friedlich für einen politischen Wandel in ihrem Land demonstrieren«, schrieb Borges. »Es ist offensichtlich, dass Goldman Sachs einen schnellen Dollar auf dem Leid des Volkes von Venezuela machen wollte.« Der oppositionelle Abgeordnete Carlos Valero sagte: »Es ist sehr ernst, dass einer korrupten, repressiven Diktatur Geld gegeben wird und eine internationale Bank damit unbehelligt durchkommt.«

Goldman verwies darauf, dass auch andere Finanzhäuser PDVSA-Bonds gekauft hätten, wie Black Rock, Fidelity, JPMorgan Chase, T. Rowe Price und Ashmore aus London. Eduardo Lugo, einer der Protestierenden vor dem Goldman Sitz in Manhattan, sagte nur, das mache die Sache nicht besser. »Hunger-Bonds zu kaufen, Blut-Bonds zu kaufen, heißt, das Volk von Venezuela zum Verhungern und zur Unterdrückung zu verurteilen.« Kommentar Seite 4

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