Arschloch!

Egotronic sind zurück

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

An die Tatsache, dass hierzulande kein Tag vergeht, an dem vermeintlich Nichtdeutsche nicht beschimpft, zusammen- oder totgeschlagen werden, will sich die Popband Egotronic, die sich als linksradikal-antifaschistisch versteht, nach wie vor nicht gewöhnen.

In den Songtexten der vor 16 Jahren gegründeten Gruppe wird bereits seit deren Bestehen ein kompromissloser Gegenentwurf zum kapitalistischen Dauerzustand entwickelt, der täglich menschenfeindlicher wird und in Deutschland obendrein von dem beständigen Gezeter begleitet wird, von Nationalsozialimus und Holocaust bitteschön nichts mehr hören zu wollen: Exzessiver Hedonismus statt stumpfe Lohnarbeit, Rausch statt Askese, urbane Zivilisation statt provinzielles Barbarentum, Emanzipation statt Subordination, fröhlicher Kosmopolitismus statt der permanenten Beschwörung der deutschen Nation und »Leitkultur«, die sich, wie gesagt, bis heute vorwiegend im Ausländertotschlagen oder -abschieben zu manifestieren scheint.

Dem immer schamloser werdenden Streben der Bundesrepublik nach Entschuldung von der eigenen Vergangenheit und nach ökonomischer Vormachtstellung setzen Egotronic ein prinzipielles Nichteinverstandensein entgegen. Dass es ausgerechnet im Popgeschäft eine derart politisch unmissverständliche Haltung noch gibt, in einer Gesellschaft, in der der Musikmarkt von FDP-Reklamemaskottchen wie Tim Bendzko und Helene Fischer überschwemmt wird und in der nicht mehr zu unterscheiden ist, ob eine Figur wie der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Grünen oder der AfD angehört, stimmt einen vorsichtig optimistisch.

Ihren Sound hat die Band Egotronic um den charismatischen Sänger Torsun Burkhardt allerdings vor einiger Zeit radikal verändert: Begnügte man sich früher meist mit recht schlichten, am heimischen Computer zusammengebastelten Elektrobeats, die nichtsdestotrotz - ja sogar aufgrund des Bekenntnisses zur Simplizität - bei vielen Linken, die dem Feiern zugetan waren, gut ankamen, besann man sich vor einiger Zeit auf einen elektronisch aufgepeppten, robusten Mitklatsch- und Mitstampf-Punkrock. Wenn dieser auch nicht gerade das neueste Ding sein mag: Die jungen Leute scheinen’s zu mögen.

Textlich belassen es Egotronic wie gewohnt nicht bei schwammigen Andeutungen, sondern sind sich, was Explizitheit betrifft, erfreulicherweise treu geblieben: »Deutschland, Arschloch, fick dich / Wir hassen dich so sehr / Du warst als Kind schon Scheiße / Und das ändert sich nicht mehr.«

Auch Gründe werden geliefert:

»Ihr seid Scheißdeutsche / Und Deutsche tun, was Deutsche eben tun / Verwerten, töten, unterjochen / Keine Zeit, um auszuruhen / Es gibt noch viel zu unterdrücken / Erst Europa, dann die Welt / Zwei Versuche militärisch, vorerst nur mit Geld.«

Egotronic: »Keine Argumente!« (Audiolith/Broken Silence)

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