Berlin und Peking gehen auf Tuchfühlung

Kanzlerin Angela Merkel bringt bei Besuch von Chinas Regierungschef Freihandelsabkommen ins Gespräch

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Erst mal blieben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang im Hintergrund. Elf Verträge und Absichtserklärungen zwischen deutschen und chinesischen Firmen und Instituten wurden nach dem Gespräch der beiden Regierungschefs am Donnerstagmorgen in Berlin zunächst unterzeichnet. VW kam zum Zuge, ebenso wie Daimler, Bosch, die DZ Bank und das Fraunhofer-Institut.

»Wir setzen auf offene Märkte«, sagte Merkel anschließend und betonte, dass das Reich der Mitte in »Zeiten globaler Unsicherheiten« ein wichtiger strategischer Partner für Deutschland sei. Man sei sich einig gewesen, so die Kanzlerin, dass Handelsnationen wie Deutschland und China »klare Bekenntnisse zum freien Handel eingehen« müssten. Schließlich sind mittlerweile rund 5000 deutsche Unternehmen in China tätig und mit einem Handelsvolumen von 170 Milliarden Euro 2016 ist das Land noch vor Frankreich und den USA mittlerweile Deutschlands wichtigster Handelspartner.

Auch Li betonte, dass »Deutschland Chinas wichtigster Partner in der EU« sei. Neben den Deals zwischen Unternehmen der beiden Länder ging es ihm vor allem um die Unterstützung Berlins beim Bestreben, dass China innerhalb der Welthandelsorganisation WTO als Marktwirtschaft und gleichberechtigtes Mitglied anerkannt wird. Während die USA unter Präsident Donald Trump immer mehr auf Protektionismus und Abschottung setzen, wird das extrem exportorientierte China einer der größten Verfechter des freien Welthandels.

Für Berlin bedeutet dies, dass Fernost zunehmend eine strategische Alternative zu den USA wird. So empfing Merkel erst Anfang der Woche Indiens Premierminister Narendra Modi. Während durch Trump ein Zustandekommen des Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA äußerst fraglich geworden ist, brachte Merkel nun Abkommen mit Indien und China ins Gespräch. Man wolle »so schnell wie möglich« ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China abschließen, erklärte die Kanzlerin am Donnerstag. Sie hoffe, dass daraus dann eines Tages auch der Beginn zu Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen werden könne.

Doch absolut harmonisch waren die Gespräche offenbar nicht. Merkel forderte von China etwa, dass es immer wieder Fortschritte bei der Öffnung von Märkten geben müsse. So beklagen sich deutsche Firmen mitunter, dass sie in China nicht so frei investieren könnten, wie es chinesische in Deutschland könnten. Über diese »Einzelfälle« habe man sich ausgetauscht, so Merkel.

Neben Wirtschaftsfragen habe man ein »breites Spektrum« an anderen Themen angesprochen. »Wir sind der gemeinsamen Überzeugung, dass von Nordkorea aus Gefahren für den Weltfrieden ausgehen können«, erklärte die Kanzlerin. Man setze aber auf eine Verhandlungslösung. »Und die ist sehr dringlich.« Zudem sei es »erfreulicherweise« gelungen, eine Lösung für die Arbeit politischer Stiftungen aus Deutschland in China zu finden.

Li Keqiang weilte zwei Tage für Gespräche in Deutschland. Anschließend ging es für ihn am Donnerstagnachmittag nach Brüssel zum Gipfeltreffen mit der EU weiter. Peking und Brüssel wollen dabei am Freitag in einer Erklärung bekräftigen, dass sie das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten und ihre Zusammenarbeit bei der Umsetzung verstärken wollen. »China steht zu seiner internationalen Verantwortung«, sagte Li dazu in Berlin. In seinem Land gebe es ein Sprichwort: »Unsere Worte zählen, und unseren Worten müssen auch Taten folgen.«

Indes ist ein Bereich, in dem am Donnerstag besonders viele Verträge abgeschlossen wurden, die Elektromobilität. Deutsche Autobauer hinken bei dieser emissionsarmen Fortbewegungstechnologie hinterher. China will sie dagegen mit einer verbindlichen Quote besonders fördern.

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