Den Lehrplan in Mathe nicht erfüllt
2580 Schüler dürfen Abiturprüfung wiederholen, weil Lehrer Stoff im Unterricht wegließen
Bei der diesjährigen Abiturprüfung im Fach Mathematik sollten Tausende Jugendliche Aufgaben lösen, auf die sie nicht vorbereitet waren. Für die schriftliche Prüfung am 3. Mai hätten sie Stoff zur Logarithmus-Funktion kennen müssen, der aber in 140 Schulen nicht behandelt wurde, obwohl er im Rahmenlehrplan stand. Für diese Verfehlung wird nun aber niemand zur Verantwortung gezogen.
Wie Bildungsminister Günter Baaske (SPD) am Donnerstag erklärte, war das Debakel nicht auf »grundsätzliche Fehler im Bildungsbereich« zurückzuführen. Vielmehr haben nach seiner Einschätzung »einzelne Versäumnisse« dazu geführt, dass nun 2580 Schüler (das sind 42 Prozent der Abiturienten) die Möglichkeit eingeräumt werden muss, am 12. Juni die schriftliche Matheprüfung zu wiederholen.
Die betroffenen Schüler waren beim ersten Versuch am 3. Mai gezwungen, die Alternativaufgabe zu lösen. Eigentlich hätte ihnen eine echte Auswahl zugestanden. Die hatten sie aber nicht, weil ihnen der Stoff zur Logarithmus-Funktion nicht vermittelt worden war. Daraufhin gab es massive Proteste. Professor Ulrich Kortenkamp wurde mit einer Untersuchung beauftragt. Am Donnerstag stellte er seine Ergebnisse vor.
Demnach war der Schwierigkeitsgrad der schriftlichen Prüfung angemessen, die Aufgaben entsprachen den vorgegebenen Standards und gingen mit dem gültigen Rahmenlehrplan konform. Dass es dennoch zur Katastrophe kommen konnte, wird nun unter anderem darauf zurückgeführt, dass nur 70 Prozent der Schulen von einem Fortbildungsangebot Gebrauch gemacht haben sollen, bei dem der neue Rahmenlehrplan erklärt worden war. Was schriftlich dazu ausgereicht worden sei, habe man »falsch interpretieren« können, sagte Baaske. Er führte die Misere auf »eine Reihe von Missverständnissen« zurück.
Unerklärlich ist, dass diese Lage eintreten konnte, obwohl vor der Prüfung stets drei Kontrollrunden von Mathematiklehrern die vom Landesinstitut für Schulen und Medien entwickelten Aufgaben kontrolliert hatten. Zwar habe es von dieser Seite einige Einwände gegeben, die aber »zu Recht verworfen« worden seien und das konkrete Problem nicht betrafen. Die Untersuchung Kortenkamps ergab weiterhin, dass viele Lehrkräfte das umfangreiche und nützliche Internetangebot des Instituts für Schule und Medien nicht in erforderlichem Maße nutzen. Dem könnte eine »bessere Gestaltung und Strukturierung der Webseiten« vorbeugen, heißt es. Bemerkenswert auch das ministerielle Vorhaben, »die verwendeten Lehrbücher verstärkt auf ihre Eignung hin« zu überprüfen.
Minister Baaske räumte ein, die Vorbereitung zum Abitur sei »nicht optimal« gelaufen. »Bei der Aufarbeitung nehmen wir keine Schuldzuweisung vor.« Jetzt müssten sich alle darum bemühen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt.
Zu der Frage, wie es denn komme, dass in Brandenburg in der Oberstufe nur vier Stunden pro Woche Mathematik unterrichtet werden, während es in Berlin fünf Stunden seien, sagte Baaske, der Übergang zum gegenwärtig gültigen System im Schuljahr 2008/09 sei »in breitem politischen Konsens« erfolgt.
Sie hätte es den Abiturienten gegönnt, endlich das Sommerwetter zu genießen, sagte die Landtagsabgeordnete Marie Luise von Halem (Grüne). »Doch nun müssen viele leider erneut büffeln.« Dabei habe es frühzeitig Hinweise von Lehrern gegeben, »dass die Aufgaben nicht im Lehrplan stünden«. Hier hätte das Ministerium aufmerken müssen.
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