Diplomatischer Krieg um Katar – Schweigen in Zürich

Die Terrorvorwürfe bedeuten einen dramatischen Gesichtsverlust für den WM-Ausrichter und den Fußballweltverband

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

FIFA-Präsident Gianni Infantino dürfte demnächst ein paar Reiseprobleme bekommen. Vor vier Wochen unterzeichnete der von ihm geführte Fußballweltverband noch stolz ein Sponsoringabkommen mit Qatar Airways. Die Fluggesellschaft des WM-Ausrichters Katar 2022 wurde auch zur offiziellen FIFA-Airline auserkoren. Seit Dienstagmorgen kann Infantino damit aber weder in Ägypten noch Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) landen. Glück hatte er, dass der FIFA-Kongress in Bahrain schon zu Ende ist. Denn auch dieses Erdölkönigreich schloss sich dem Boykott an.

Die Begründung sind Terrorvorwürfe an Katar. Sie sind in Teilen nachvollziehbar. Auf der anderen Seite mischen die Kritiker aus Riad und Abu Dhabi aber ähnlich mit im Terrorfinanzierungsgeschäft wie ihre kritisierten Cousins. Die FIFA gerät durch ihre Nähe zu Katar mitten hinein in die weltpolitischen Konfliktzonen.

Das Verhältnis von Katar und seinen aktuellen Kritikern in der Region ist seit Jahren belastet. Die autoritären Regimes am Golf beobachteten mit Misstrauen die Etablierung des Nachrichtensenders al-Jazeera in Doha. Der Sender kritisiert reihum die Nachbarstaaten, nur im Land des Hauptquartiers herrscht Beißhemmung.

Zu dieser Investition in Softpower gesellten sich ab 2011 auch kriegerische Engagements. Katar unterstützte früh die syrischen Oppositionskräfte, zum Teil gemeinsam mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, zum Teil gingen die Ressourcen an rivalisierende Verbände. In Libyen befinden sich die drei Länder aber in einem offenen Konflikt. Die Luftwaffe der VAE flog 2014 gar Angriffe auf die von Katar finanzierten Milizen. Ägypten kritisiert hingegen Katars Hilfe für die Muslimbrüder und die Hamas. Anderseits ist Katar aber auch in die westlichen Allianzen eingebunden. Es betreibt mit der CIA ein Ausbildungslager für syrische Kämpfer, ein US-Militärstützpunkt in Katar dient als »Nervenzentrum« für den Luftkrieg gegen den IS.

Die Vorwürfe der regionalen Kontrahenten bedeuten vor allem einen gravierenden Imageverlust für den WM-Gastgeber. Als erster Katarkritiker wagte sich der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Reinhard Grindel, hervor. Er forderte zwar keinen sofortigen Boykott: »Es sind noch fünf Jahre bis zum Anpfiff der WM. In dieser Zeit müssen politische Lösungen vor Boykottandrohungen den Vorrang haben«, meinte der DFB-Chef. Grindel stellte aber auch fest: »Grundsätzlich sollte sich die Fußballgemeinschaft weltweit darauf verständigen, dass große Turniere nicht in Ländern gespielt werden können, die aktiv den Terror unterstützen.« Ob er damit auch Terror durch Drohnen meint, wird sich im Zuge der Bewerbung der USA, gemeinsam mit Mexiko und Kanada, für die WM 2026 herausstellen.

Die FIFA selbst hielt sich mit Reaktionen zurück. »Wir stehen mit dem Organisationskomitee der WM 2022 in regelmäßiger Verbindung. Aktuell gibt es in der Angelegenheit nichts zu vermelden«, teilte Zürich auf nd-Anfrage mit.

Diese zurückhaltende Art der Kommunikation ist typisch für den Weltverband. Kritik an den Arbeits- und Lebensbedingungen der migrantischen Arbeiter in Katar, die auch für den Bau und die Unterhaltung der WM-Infrastruktur eingesetzt werden, wehrte die FIFA lange ab. Erst starker internationaler Druck führte zu unabhängigen Kontrollen der Gewerkschaften auf den WM-Baustellen in Katar und Russland, dem WM-Gastgeber 2018. Dietmar Schäfers, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft IG BAU, der diese Kontrollen mit aushandelte, kritisierte in einem früheren Gespräch gegenüber »nd« die verlangsamte Reaktion des Weltverbandes. »In Katar hat die FIFA im Prinzip ihre Chance vertan. Die Bauten sind teilweise fertig. Die Infrastrukturdinge laufen, sind teilweise auch abgeschlossen«, so Schäfers. Auch wenn einige der Bauvorhaben noch im Gange sind, habe die FIFA ihre Einflussmöglichkeiten schon verschossen, denn die meisten Aufträge seien vergeben, sagte Schäfers.

In Sachen Terrorverwicklung hatte der Weltverband ebenfalls lange Zeit, sich eine Position zu erarbeiten. Spätestens seit 2013 war Katars bellizistische Außenpolitik bekannt. Zu Bedenken führte dies offensichtlich nicht. Der Einfluss Katars auf zahlreiche kämpfende Organisationen mag auch als Garantie für ein Terrormoratorium während der Weltmeisterschaft gesehen worden sein. Das Stoppsignal von Saudi-Arabien und den anderen Nachbarn zeigt aber, wie wenig beherrschbar die Lage in der Region ist. So wie sich Katar mit seinem machtpolitischen Kurs verzockt hat, so sehr ging der ökonomische Expansionskurs der FIFA in die Hose.

Erste Auswirkungen auf den Sport hat die Krise bereits jetzt. Der saudische Fußballklub Al Ahli FC löste seinen Sponsorenvertrag mit Qatar Airways. Und auch die Austragung des Gulf Cup of Nations ist in Gefahr. Das Turnier ist für Dezember 2017 in Katars Hauptstadt Doha geplant, qualifizierte Mannschaften kommen aus den aktuellen Boykottländern Saudi-Arabien, VAE und Bahrain.

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