Sternfahrt für eine Zweiradstadt

Radlobbyisten fordern vom Senat schnelle Fortschritte beim Mobilitätsgesetz

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Bis 30. Juni muss ein Referentenentwurf für das neue Radgesetz vorliegen«, gibt Heinrich Strößenreuther, Initiator des Fahrrad-Volksentscheids. Die Forderung zur diesjährigen Fahrradsternfahrt durch die Hauptstadt aus. Bis zu 140 000 Teilnehmer erwartet der Fahrradclub ADFC Berlin als Organisator der nach eigenen Angaben weltweit größten Fahrraddemo, die am Sonntag auf 19 Routen zum Brandenburger Tor führen soll.

Vor einem Jahr war die Sternfahrt der Schlussspurt für die Unterschriftensammlung der Initiative, bei der innerhalb kürzester Zeit 105 000 Menschen unterzeichneten. »Die Politik hatte das Thema absolut verschlafen, obwohl innerhalb des S-Bahnrings mehr Menschen mit dem Fahrrad als mit dem Auto unterwegs sind«, sagt Nikolas Linck, Sprecher des ADFC Berlin. Deswegen hätten so viele Menschen unterschrieben. »Durch den Radentscheid wurde unser Anliegen zum Wahlkampfthema, hat vor allem bei den Grünen, aber auch der LINKEN für Stimmen gesorgt«, sagt Linck. Doch nun hänge der Prozess, »obwohl Rot-Rot-Grün ein ganz klares Versprechen für den Radverkehr gegeben hat«.

»Wir waren sehr positiv überrascht vom Koalitionsvertrag«, sagt Strößenreuther. »Doch der Verhandlungsprozess ist alles andere als erfolgreich«, so der Radaktivist. Zunächst habe es eine kurze Welle der Euphorie gegeben. Anfang April wurden die mit SPD, LINKEN, Grünen, ADFC und dem Umweltverband BUND vereinbarten Eckpunkte vorgestellt, Anfang Mai lag ein erster Gesetzentwurf vor. Als es den Machern der der Initiative nicht schnell genug ging, veröffentlichten sie ihn Mitte Mai ohne Absprache. Das habe die »vertrauensvolle Zusammenarbeit im Dialog Radgesetz beschädigt«, erklärte daraufhin Matthias Tang, Sprecher der Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). »Wir haben mit dem Vorgehen die Gelbe Karte gezeigt«, das ist Strößenreuthers Sicht der Dinge.

»Wir haben die Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther ganz herzlich zur Sternfahrt eingeladen«, sagt Nikolas Linck. »Wir hoffen, dass wir auf dem Umweltfestival wieder ins Gespräch kommen können.« Tatsächlich gibt es noch keinen offiziellen Termin für eine weitere Gesprächsrunde zum Radgesetz.

Vor 40 Jahren, am 5. Juni 1977, fand die erste Fahrraddemo im damaligen West-Berlin statt. »Es hat sich viel verändert seitdem«, sagt Linck. »Bei der ersten Tour galten Radler als absolute Freaks, das Auto galt als Allheilmittel«, so Linck. Da habe sich natürlich viel geändert. »Der Wille zur Veränderung ist auf jeden Fall da«, attestiert Linck dem neuen Senat. Es sei auch klar, dass die politisch Verantwortlichen die Dinge nicht über Nacht verändern können, zumal die Verwaltung viel zu wenig Ressourcen habe.

Hoffnung setzt man beim ADFC auch in die angekündigte Fahrradinfrastrukturgesellschaft »Velo GmbH«. »Es ist gut, wenn der Ausbau von Fahrradwegen künftig zentral gesteuert werden kann«, sagt Linck. Ein Beispiel der mangelnden Effizienz sei der nun im Bau befindliche Fahrradweg in der Gitschiner Straße in Kreuzberg. »Der wurde schon vor 13 Jahren beschlossen«, so Linck. Im Moment läuft auch das Besetzungsverfahren für den Chefposten der Verkehrslenkung Berlin (VLB), die für Ampeln und Baustellen an Hauptstraßen zuständig ist. Heißer Kandidat für den Posten ist Axel Koller, noch Leiter des Straßen- und Grünflächenamts Friedrichshain-Kreuzberg. Der hatte die VLB einfach übergangen, um mit dem Radwegbau in der Gitschiner Straße endlich beginnen zu können.

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