Die Insolvenz als Airbag

Skandalumwitterter Autozulieferer Takata möchte seine Finanzprobleme lösen

  • Susanne Steffen, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.

Jetzt hat der größte Rückrufskandal der Automobilgeschichte dem japanischen Airbag-Hersteller Takata das Genick gebrochen. Im Zuge der Affäre mit mehreren Todesfällen durch defekte Sicherheitsluftkissen, in deren Folge weltweit über 100 Millionen Airbags zurückgerufen wurden, hat er laut Medien Verbindlichkeiten in Höhe von über einer Billion Yen (acht Milliarden Euro) angehäuft. Das macht Takata zu einer der größten Insolvenzen der japanischen Nachkriegsgeschichte. Am Montag wurde Gläubigerschutz in Japan und den USA beantragt, in Europa sind keine Insolvenzanträge geplant.

Die Takata-Airbags sind bei ungünstigen Wetterverhältnissen anfällig für zu heftige Aufblasreaktionen im Falle eines Unfalls. Es besteht die Gefahr, dass die Luftkissen dann explodieren sowie Metall- und Plastikteile durch den Fahrgastraum schleudern. Mindestens 16 Todesfälle werden mit den Airbags in Verbindung gebracht. Mehr als 180 Menschen sollen zum Teil schwere Verletzungen erlitten haben.

Anfang des Jahres hatte sich Takata gegenüber den US-Behörden zur Zahlung von einer Milliarde Dollar Strafe verpflichtet. Zuvor hatte die Unternehmensleitung zugegeben, rund 15 Jahre lang die Risiken vertuscht zu haben. Gegen drei Manager wurden Strafanzeigen gestellt.

Gleichzeitig mit den Insolvenzanträgen gab das Unternehmen bekannt, dass es so gut wie alle Vermögenswerte und operativen Geschäfte an die US-Firma Key Safety Systems (KSS) für umgerechnet 1,4 Milliarden Euro verkauft, um den Restrukturierungsplan zu finanzieren. Nur die Airbag-Sparte wird weiter in Takatas Händen bleiben, ebenso die finanziellen Forderungen rund um die Rückrufaktion.

Das japanische Unternehmen versicherte, trotz Insolvenz weiterhin Ersatzteile für die Reparatur der von der Rückrufaktion aus dem Jahr 2016 betroffenen Airbags zu produzieren. In den USA, wo alleine 70 Millionen Airbags ausgetauscht werden sollen, sind Medienberichten zufolge bis Ende Mai erst 38 Prozent ausgetauscht worden. In Japan waren es nach Angaben des Verkehrsministeriums im Juni etwa 73 Prozent.

Aufgrund von Takatas hohem Weltmarktanteil von 20 Prozent waren die Autohersteller sehr an einer Fortsetzung der Produktion interessiert. Sie übernahmen die Kosten für die Reparaturen. Mögliche Schadenersatzforderungen sind mit der Insolvenz wohl hinfällig. Die japanische Großbank Sumitomo Mitsui kündigte an, Takata einen Überbrückungskredit von bis zu 25 Milliarden Yen zu gewähren, damit die Lieferanten bezahlt werden können.

Die Tokioter Börse setzte unterdessen den Handel der Takata-Aktie aus. Ende Juli soll sie ganz von Kurszettel gestrichen werden.

Mit der Übernahme der Takata-Geschäfte hofft Konkurrent KSS, der der chinesischen Firma Ningbo Joyson Electronics gehört, seinen globalen Marktanteil bei Autosicherheitssystemen stark ausbauen zu können. Gegenwärtig ist das Unternehmen aus Detroit die globale Nummer vier der Airbag-Hersteller.

Takata-Chef Shigehisa Takada gab sich zuversichtlich, dass sein Unternehmen in besten Händen sei. »KSS ist ein idealer Investor, um die Kosten des Airbag-Rückrufs zu meistern. Außerdem ist er ein perfekter Partner für unsere Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter«, sagte Takada.

Auf den neuen Besitzer warten allerdings schwierige Herausforderungen, warnten Kommentatoren am Montag mit Verweis auf den beträchtlichen Verlust, den Takata für das abgelaufene Geschäftsjahr ausgewiesen hat. Dies war bereits das dritte Verlustjahr in Folge.

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