Mehr Chancen für weichen Brexit

Britisches Parlament debattierte über Mays Regierungsprogramm

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 2 Min.

Am letzten Tag der Debatte über das Regierungsprogramm der Tories rückte der Brexit in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die oppositionelle Labour-Partei versuchte, Regierungschefin Theresa May zu Zugeständnissen zu verpflichten, um einen EU-Ausstieg ohne Einigung mit Brüssel abzuwenden.

Jede neue Regierung muss dem Parlament jeweils ihr Programm fürs kommende Jahr zur Abstimmung vorlegen. Dank dem Pakt mit der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), der Anfang Woche besiegelt wurde, verfügte May über die nötige Mehrheit, um die Abstimmung am Donnerstagabend (nach Redaktionsschluss) zu gewinnen. Aber die Opposition hatte die Möglichkeit, Änderungsvorschläge zu machen. Der Antrag, den Labour einbrachte, zielte darauf ab, eine »No Deal«-Variante des Brexit zu verhindern, also einen Ausstieg ohne ein Übereinkommen mit Brüssel. Dies würde laut Experten zu einem tiefen Wirtschaftseinbruch führen. Die Regierung soll stattdessen während der Austrittsgespräche Arbeitsplätzen und Wirtschaft Priorität einräumen.

Der Zusatz der Opposition galt schon im Vorfeld als chancenlos, weil auch die europafreundlichen Tories ihr Regierungsprogramm durchbringen wollten. Dennoch wird es in den kommenden Monaten zu kniffligen Debatten über den EU-Ausstieg kommen, denn die Flügel der Tory-Partei haben völlig unterschiedliche Vorstellungen vom Brexit. Finanzminister Philip Hammond ist ein führender Vertreter des »weichen Brexit«: Für ihn gilt es in erster Linie, negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum zu vermeiden. Die Beschränkung der Einwanderung hält er für zweitrangig. Während seines Besuchs in Deutschland Anfang der Woche betonte Hammond, er strebe eine »langfristige Partnerschaft« an, die auf einem umfassenden Freihandelsabkommen basiert. Damit gibt sich Hammond weit entgegenkommender als Brexit-Minister Davis oder May, die vor den Neuwahlen einen kompromissloseren Ton anschlugen.

Nach dem Wahldebakel ist Mays Position innerhalb der Konservativen Partei jedoch schwer angeschlagen. Über die Autorität, den harten Brexit durchzusetzen, verfügt sie kaum noch. Sollten aber EU-freundliche Kabinettsmitglieder wie Hammond diese Schwäche ausnutzen und die Regierung vom harten Brexit-Kurs abbringen, könnte das einen Aufstand des - nach wie vor einflussreichen - rechten Tory-Flügels provozieren.

Aber auch bei Labour herrscht Uneinigkeit. Eine Gruppe von über 50 Labour-Politikern, darunter Dutzende Parlamentsmitglieder, will für eine Mitgliedschaft im Binnenmarkt kämpfen - obwohl die Labour-Führung dies ablehnt. Parteichef Jeremy Corbyn bevorzugt stattdessen einen umfassenden »Zugang« zum Binnenmarkt.

Angesichts der geschwächten Position Mays haben mehrere Labour- und Tory-Politiker sowie eine Reihe von Wirtschaftsvertretern dafür plädiert, dass sich alle Parteien an den Ausstiegsverhandlungen beteiligen. Laut einer Umfrage befürwortet gut die Hälfte der Briten einen solchen überparteilichen Brexit.

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