Dauerregen: Ausnahmezustand in Berlin

Mehr als 1400 Feuerwehr-Einsätze in Berlin / Appell: Feuerwehr erst bei Wasserstand von mehr als 5 Zentimeter rufen

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Hauptstadt unter Wasser: Stundenlanger Starkregen, vollgelaufene Keller und überschwemmte Straßen haben den Berlinern und der Berliner Feuerwehr am Donnerstag und in der Nacht auf Freitag schwer zu schaffen gemacht. Bis kurz vor Mitternacht zählte ein Sprecher fast 1400 wetterbedingte Einsätze in der Hauptstadt.

Im Stadtteil Charlottenburg musste ein von den Wassermassen unterspültes Haus wegen möglicher Einsturzgefahr evakuiert werden. U-Bahnhöfe liefen voll mit Wasser, eine der fünf meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands, die A100, blieb wegen Überschwemmung in Tunnelbereichen auch nachts abschnittweise gesperrt. Auf dem Flughafen Tegel wurden Flüge gestrichen und Maschinen umgeleitet. Am späten Abend teilte die Flughafengesellschaft dann mit, dass eine Ausnahme vom Nachtflugverbot erteilt wurde, um vielen Fluggästen die Weiterreise zu ermöglichen.

Der Wolkenbruch über Berlin hat der Hauptstadt binnen weniger als 24 Stunden stellenweise mehr als doppelt so viel Niederschlag beschert wie sonst im ganzen Monat Juni. Am meisten Regen fiel von Donnerstagvormittag bis zum frühen Freitagmorgen an der Messstation in Tegel, wo auch der größte Flughafen liegt: Dort gingen 143,5 Liter pro Quadratmeter nieder, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte - das langjährige Mittel für Juni liegt dort bei 70,9 Liter. Wegen des Unwetters war in Berlin am Donnerstag der Ausnahmezustand ausgerufen worden, der auch am Freitagmorgen weiter galt. Bis in die Nacht hinein musste die Feuerwehr rund 1400 Mal wetterbedingt ausrücken.

Auf zahlreichen Berliner Straßen stand das Wasser zeitweise knöchelhoch, Taxis waren nur schwer zu bekommen, der S-Bahn-Verkehr war zeitweise gestört, Busse fuhren teils nur mit großer Verspätung. Die Innenstadt war am Donnerstag teilweise lahmgelegt. Beim Notruf hingen Anrufer zeitweise minutenlang in der Warteschleife fest.

Auch das Technische Hilfswerk unterstützte die Berliner Feuerwehrleute. Im Stadtteil Charlottenburg gab es am späten Abend einen Unfall zwischen einem Leiterwagen der Feuerwehr und einem Auto. Drei Menschen wurden dabei verletzt, darunter zwei Feuerwehrleute. Weitere Menschen kamen in Berlin nicht zu Schaden.

Am Freitagmorgen war die Feuerwehr noch mit rund 600 Feuerwehrleuten im Einsatz. Am Donnerstagabend seien sie von etwa 550 ehrenamtlichen Helfern unterstützt worden, sagte Björn Radünz von der Berliner Feuerwehr.

Hauptproblem seien nach wie vor vollgelaufene Keller. »Wir appellieren an die Bevölkerung, bis zu einer Wasserhöhe von circa 5 Zentimetern nicht die Feuerwehr zu rufen«, so Radünz. In der Nacht seien die Einsätze etwas zurückgefahren worden.

In Brandenburg beruhigte sich die Lage am frühen Morgen etwas. Besonders betroffen war bis dahin der Süden des Bundeslands sowie der Raum Oranienburg. Mehr als 400 Einsatzkräfte waren dort bis zum frühen Morgen im Einsatz. Immer wieder musste auch das Technische Hilfswerk mithelfen, um Häuser, Straßen und ganze Firmen von den Wassermassen freizupumpen. Es kam zu mehreren Unfällen mit Leichtverletzten.

Auch die Landeshauptstadt war betroffen. 46 Mal rückte die Feuerwehr in Potsdam wegen überfluteter Straßen und vollgelaufener Keller aus.

Der Deutsche Wetterdienst hatte am Abend seine Starkregen-Warnungen auf Norddeutschland ausgeweitet. Besonders heftig erwischte es dort zunächst einige Regionen Niedersachsens. In Hannover standen zahlreiche Straßen unter Wasser. Auch die Medizinische Hochschule sowie das Firmengelände des Reifenherstellers Continental waren betroffen. 175 wetterbedingte Einsätze zählte die Feuerwehr bis zum späten Abend.

Im Raum Oldenburg stürzte das Dach einer Firma unter den Wassermassen ein. Verletzt wurde auch hier niemand. Die übrigen norddeutschen Bundesländer blieben vorläufig von heftigeren Wasserschäden verschont. Zwar meldeten mehrere Feuerwehr- und Polizeidienststellen starken Regen. Zu größeren Einsätzen kam es aber zunächst nicht. »Wir mussten bislang kein einziges Mal wegen des Wetters ausrücken«, sagte ein Polizeisprecher in Hamburg. »Nicht mal ein Keller ist vollgelaufen.«

Für die Länder Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern hatte der Deutsche Wetterdienst in der Nacht auch für den gesamten Freitag vor langanhaltendem Starkregen gewarnt. Die Unwetterwarnung gilt fort. Die Wettervorhersage kündigt zudem steife und stürmische Böen an. Erst am Abend soll sich wieder die Sonne zeigen. agenturen/nd

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