Will die Polizei die G20-Proteste eskalieren?

Beamte halten die Demonstranten mit aller Macht vom Schlafen ab - die Angereisten kommen nicht zur Ruhe. Ein Kommentar

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 2 Min.

»Schlafentzug ist Folter«, steht bei Protesten gegen die Camp-Verbote in Hamburg auf den Zelten. Ist der Spruch übertrieben? Zumindest diejenigen, die bereits in den Zeltlagern Entenwerder und Altona übernachtet haben, sind inzwischen ganz schön müde. Mehrmals pro Nacht wurden sie von der Polizei geweckt, die in die Zelte hinein leuchtete, berichten sie. »Alles, was zum Schlafen dient«, sagen die Polizisten am Eingang der Camps, »ist verboten: Iso-Matten, Schlafsäcke, Zelte.« Und als Schlafzelte in Entenwerder für kurze Zeit gerichtlich erlaubt waren, blockierte die Polizei kurzerhand den Aufbau. Seit Tagen kommen die angereisten Aktivisten nicht zur Ruhe. Man könnte fast den Eindruck bekommen, die Polizei wolle die Situation eskalieren.

»Ich habe großen Respekt vor den jungen Leuten«, sagt Sabine Boeddinghaus, parlamentarische Beobachterin der Linksfraktion in Hamburg. »Sie haben stets ruhig und besonnen reagiert, obwohl die Polizei sie brutal angegriffen hat.« Aufseiten der Demonstranten kann die Polizei noch immer keine Gewalt nachweisen. Sie greift auf Bilder aus einer Hausdurchsuchung in Rostock zurück. Das hierbei gefundene Gefahrengut präsentierte sie am Dienstag: Pyrotechnik, mit Farbe gefüllte Feuerlöscher, Zwillen, Baseballschläger, Wurfmesser, Schlagringe, ein Teleskopschlagstock und Flaschen mit »mutmaßlich brennbarer Flüssigkeit«. Ob all das zu den Protesten gegen die G20 mitgebracht werden sollte, bleibt wohl noch zu beweisen. Bislang jedenfalls haben die Aktivisten aus Perspektive des Rechtsstaates nichts von größerem Belang getan. Es sei denn, schlafen und trinken in der Öffentlichkeit sind in Deutschland inzwischen eine Straftat.

Und trotzdem sind 19.000 Polizisten in der Stadt. Und trotzdem haben der Innenminister wie auch Hamburgs Innensenator vor 8000 Gewalttätern gewarnt. Was sollen sie denn tun, wenn dieser gigantische Polizeieinsatz nicht gerechtfertigt werden kann? Peinlich wäre das. 32 Millionen Euro kostet das »Sicherheitskonzept« – allein die Bundesbehörden.

»Die Verweigerung von Übernachtungscamps ist geeignet, in einer ohnehin angespannten Situation zusätzlich zu eskalieren«, stellten nicht nur Linke, sondern auch der Evangelische Kirchenkreis in Hamburg besorgt fest. Bislang haben Aktivisten vor Ort die Campverbote als Strategie der Abschreckung verstanden. Mit jeder unruhigen Nacht wächst die Besorgnis, dass es sich dabei vielmehr um eine Eskalationsstrategie handeln könnte – also um die Suche nach einem Anlass für harte Maßnahmen während der eigentlichen Proteste. Dass die friedliche Versammlung einiger Hundert feiernder Gipfelgegner am Pferdemarkt mit Wasserwerfern beendet wurde, trägt zu dieser Befürchtung bei.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal