Krankheit aus der Hochspannungsleitung?

Bundesamt für Strahlenschutz will Gefahren durch Stromtrassen prüfen lassen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Es knistert und summt unter der Hochspannungsleitung. Viele Menschen empfinden das als unangenehm, manchen macht es Angst. Ist es gefährlich, nahe an einer solchen Leitung zu wandern, zu spielen, zu arbeiten oder sogar zu wohnen? Bisher weiß man darüber zu wenig, findet das Bundesamt für Strahlenschutz - und schiebt über 30 neue Forschungsprojekte an.

»Wir sind überzeugt, dass wir alle gut gesichert sind durch die gesetzlichen Regelwerke«, sagt Amtschefin Inge Paulini. Bisher seien keine negativen Folgen nachgewiesen. Es gebe aber Verdachtsmomente, die zu Sorgen in der Bevölkerung führten. »Unser Bestreben ist die Information aller Beteiligten auf einer sachlichen Grundlage«, erklärt Paulini. Rund 18 Millionen Euro dürfte die Forschung kosten, bisher steht als Finanzierer das Bundesumweltministerium fest.

Hinter der Initiative steht auch wirtschaftliche Notwendigkeit: Um die Energiewende zu schaffen, braucht Deutschland Tausende Kilometer neuer Stromleitungen, die Ökostrom in alle Ecken der Republik bringen. Sowohl Wechselstrom-Hochspannungsleitungen, wie es sie schon lange gibt, als auch neue Gleichstromleitungen, die »Strom-Autobahnen« Südlink und Südostlink. Das geht nur mit den Bürgern gemeinsam.

Manche befürchten aber gesundheitliche Risiken durch elektrische und magnetische Felder, die beim Stromfluss entstehen. Diese können mit den im Körper vorhandenen wechselwirken oder zusätzliche Felder erzeugen. Überschreiten die äußeren Felder bestimmte Schwellenwerte, können sie die Gesundheit gefährden und etwa Kammerflimmern auslösen.

Einige Studien deuten auf ein erhöhtes Auftreten neurodegenerativer Krankheiten wie Alzheimer oder ALS, wenn Menschen - etwa beruflich - niederfrequenten Feldern ausgesetzt sind. Diese gibt es um Wechselstrom-Hochspannungsleitungen, aber auch im Haushalt. Andere Studien weisen darauf hin, dass Magnetfelder das Leukämierisiko bei Kindern erhöhen können. Die internationale Agentur für Krebsforschung hat solche Felder als »möglicherweise krebserregend« eingestuft. Einige Menschen führen Kopfschmerzen oder Müdigkeit auf die Felder zurück.

Doch die vorliegenden Studien beantworten viele Fragen nicht - und es gibt andere, die ihnen widersprechen. Hier sollen die Projekte Klarheit bringen. Auch Risiken der neuen Gleichstromleitungen sollen untersucht werden. Dabei geht es etwa um Luftmoleküle und Teilchen, die sich an Leitungen im Freien elektrisch aufladen und vom Wind als »Wolken« bewegt werden können. Die Frage ist, ob diese vom Körper verstärkt aufgenommen werden.

Erdkabel klingen da nach einer guten Lösung, doch so einfach ist es nicht: »Wenn Sie direkt über der Erdverkabelung stehen, ist das Magnetfeld höher als unter einer Freilandleitung«, sagt Gunde Ziegelberger vom Bundesamt für Strahlenschutz. Wenn man sich entfernt, nehme die Stärke aber beim Erdkabel schneller ab.

Abgesehen vom möglichen Gesundheitsrisiko gibt es auch Bedenken von Naturschützern. Sie kritisieren, dass Vögel gegen die Leitungen fliegen. Schneisen, die in Wälder geschlagen werden, durchschnitten die Lebensräume von Tieren, sagt Eric Neuling vom Naturschutzbund Nabu. Sensible Gebiete wie Biosphärenreservate, Moore oder naturnahe Wälder müssten verschont werden. Landwirte sorgen sich um ihre Böden beim Vergraben von Erdkabeln, zudem ist unklar, wie sich die Wärmeentwicklung auf das Wachstum der Feldfrüchte auswirkt. dpa/nd

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