Beständige Feindschaft

Mit Griechenland befindet sich die Türkei in einem Dauer-Clinch.

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 5 Min.

Das griechisch-türkische Verhältnis ist eine Geschichte unaufhörlicher Feindseligkeiten. Auch wenn der letzte heiße Krieg zwischen beiden Staaten bereits vor 95 Jahren zu Ende ging - es hat bis in die jüngste Zeit häufig nicht viel gefehlt an einem Waffengang zwischen zwei NATO-Mitgliedern. Die Tatsache, ob in Ankara oder Athen Konservative, Sozialdemokraten oder ein Militär-Regime an der Macht waren, spielte dabei keine Rolle.

Was selten genug vorkommt: In diesem Falle hat sogar die Zugehörigkeit zum US-dominierten Militärbündnis mäßigend auf die griechisch-türkische Rivalität eingewirkt, hatte doch Washington, das beide Mittelmeerstaaten für seine Nah- und Mitteloststrategie benötigte, kein Interesse daran, sich in einem etwaigen Konflikt auf eine Seite zu stellen. So blieb es in jüngerer Zeit bei gegenseitigen Drohungen.

Griechenland musste allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die Türkei mit ihrer Grenze zur Sowjetunion und ihrer langen Schwarzmeerküste von den USA am Ende als der strategisch wichtigere Partner angesehen wurde. Und Athen hatte weitere amerikanische Entscheidungen zu ertragen, die es als Demütigungen empfand. Vor allem dass die NATO, sprich die USA, die bis heute anhaltende Invasion Nordzyperns akzeptierte, sieht man in Athen bis heute als Verrat an den legitimen Interessen eines Verbündeten an.

Entsprechend nationalistisch aufgeladen ist die politische Stimmung, wenn über den Nachbarn auf der anderen Seite der Ägäis geredet wird. Aber nicht nur das. Beide Seiten nehmen die vermeintliche Drohung der anderen Seite zum Vorwand, um Unsummen für Rüstung auszugeben. Griechenland, dessen finanzielle Schieflage hinlänglich bekannt ist, leistet sich einen Militärhaushalt, der mit auch zuletzt noch 2,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts den aller anderen europäischen NATO-Mitglieder übertrifft.

Gegenüber dem Putsch vom 15. Juli hat sich Athen korrekt, mithin neutral verhalten - nach seiner Einschätzung, nicht nach der türkischen. Streitpunkt ist vor allem das Asylgesuch acht türkischer Militärangehöriger, deren Begehr auf politisches Asyl in Griechenland nach Prüfung durch die Gerichte stattgegeben wurde. Die acht türkischen Soldaten waren in der Putschnacht mit einem Hubschrauber auf dem Flughafen der nordgriechischen Grenzstadt Alexandroupoli gelandet, vorgeblich wegen technischer Probleme, um am Ende aber den Grenzübertritt als Flucht und mithin politisch zu begründen.

Die Angelegenheit ist insofern von besonderer Brisanz, als der Ausgangspunkt des Hubschrauberfluges eben jener Militärstandort ist, von dem die Revolte gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ausgegangen sein soll. Allerdings bestreiten die Geflüchteten entschieden, darin verwickelt gewesen zu sein. »Die Soldaten befinden sich in einer Notsituation«, argumentierte ihre Anwältin Menia Polychroni der Athener Zeitung »Kathimerini«. Zusammen mit weiteren Hubschrauberbesatzungen hätten sie den Befehl gehabt, Verletzte aus den Straßen in Istanbul zu bergen. Plötzlich aber sei man von anderen bewaffneten Verbänden beschossen worden. Deshalb die überstürzte Flucht nach Griechenland.

Dass sie im nun entfesselten türkischen medialen Dauerfeuer ohne weitere Begründung nur noch als Politverbrecher und Verräter bezeichnet worden waren, machte es den Flüchtlingen sogar leichter, war damit doch offensichtlich, dass man sie vorverurteilte und sie kaum mit einem rechtsstaatlichen Verfahren rechnen durften. Ob nun in den Putsch verwickelt oder nicht - andere Soldaten, die sich in Gefahr wähnten und nach Bulgarien flohen, haben sich falsch entschieden: Sofia hat ausgeliefert.

Wird sich auch Athen noch einmal umentscheiden? Durchaus möglich. Zwar kann sich an den Fakten der Flucht nichts mehr ändern, wohl aber am Ergebnis der Abwägung politischer Interessen in Athen. Man scheint dort keineswegs Genuss zu empfinden, Erdogan mal eins auswischen zu können. Vor allem zwei Dinge sind es, die Athen vor einer jähzornigen Reaktion Erdogans zittern lassen. Zum einen ist da perspektivisch die Aussicht auf preiswertes russisches Erdgas, das man aber nach Lage der Dinge nur über eine Pipeline durch das Schwarze Meer via Türkei erlangen kann, halbwegs gute Beziehungen zu Ankara vorausgesetzt.

Das ist freilich noch Zukunftsmusik. Sehr gegenwärtig ist die Sorge, die Türkei würde die Vereinbarungen in der Frage der Kriegsflüchtlinge platzen lassen. Erst seitdem das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei in Kraft ist, landen nicht mehr täglich Hunderte Flüchtlinge auf Schlauchbooten auf den griechischen Inseln in der Ägäis. Die türkischen Behörden tun seit etwas mehr als einem Jahr das, was sie vorher nicht taten: Sie hindern die Menschen aus Afghanistan, Irak und Syrien schon an der türkischen Küste daran, sich auf den Weg über das Meer nach Chios, Kos oder Lesbos zu machen. Damit hat nicht nur die Regierung von Alexis Tsipras eines von vielen Problemen weniger, solange Erdogan die Land- und Seegrenze verschlossen hält.

Die Militärs scheinen dabei nicht immer mitspielen zu wollen und nur allzu bereit zu sein, den labilen Status quo immer wieder mal aufs Spiel zu setzen. Trotz verbesserter Beziehungen kam es so auch in den letzten Jahren über der Ägäis immer wieder zu Abfangmanövern der beiden Luftstreitkräfte. Es kostet nebenbei Unsummen, die vor allem Griechenland gar nicht hat.

Auch auf See spielt man mit dem Feuer, erst vorige Woche wieder. Ankara hat der griechischen Küstenwache vorgeworfen, Schüsse auf ein türkisches Frachtschiff abgefeuert zu haben. Der Kapitän hatte sich geweigert, sein Schiff im Hafen der griechischen Insel Rhodos auf geschmuggelte Drogen durchsuchen zu lassen. Selbst wenn es nur Warnschüsse gewesen sein sollen - die aufgeregte Reaktion beider Verteidigungsministerien hat aus einer Lappalie einmal mehr einen griechisch-türkischen Krieg der Worte werden lassen.

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