Brexit-Gesetz spaltet Großbritannien

Opposition fordert mehr Parlamentskontrolle

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Die britische Regierung hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die rechtliche Grundlage für die Zeit nach dem Brexit bilden soll. Unter der »Repeal Bill«, also dem Aufhebungsgesetz, werden am Tag des formellen Ausstiegs alle bestehenden EU-Gesetze in britisches Recht übertragen. Danach können die Gesetzgeber in London einzelne Gesetze anpassen oder aufheben. Die umfassende und folgenreiche Vorlage ist die erste - und wichtigste - einer ganzen Reihe von EU-Gesetzen, die die Regierung in den kommenden Monaten durchs Parlament bringen will. Doch schon kurz nach der Vorstellung der Vorlage am Donnerstag hagelte es Kritik.

Die Erste Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon, drohte, ihre Zustimmung zum Gesetz zu verweigern, weil es eine »Machtanmaßung« darstelle. Sie bemängelte, dass die Befugnisse, die derzeit bei der EU liegen, nicht automatisch an die Regionalregierungen in Schottland, Wales und Nordirland gehen sollen, sondern an die Zentralregierung in London. Auch der Erste Minister von Wales, der Labour-Politiker Carwyn Jones, schloss sich dieser Kritik an. In einer gemeinsamen Stellungnahme sagten beide, dass sie der Regierung wiederholt »konstruktive Vorschläge« unterbreitet hätten, die »die Interessen aller Nationen des Vereinigten Königreichs schützen«; die Gesetzesvorlage tue dies jedoch nicht. Zwar können die Regionalparlamente in Edinburgh und Cardiff das Gesetz nicht blockieren, aber sollten sie ihm nicht zustimmen, würde dies eine konstitutionelle Krise verursachen.

Die oppositionelle Labour-Partei will die Repeal Bill nicht verhindern, hat aber angekündigt, Regierungschefin Theresa May weitreichende Zugeständnisse abzugewinnen: Keir Starmer, der Brexit-Sprecher der Opposition, forderte mehrere Konzessionen, unter anderem eine Garantie, dass die Rechte der Lohnabhängigen nicht aufgeweicht werden.

Zudem sollen die Machtbefugnisse unter der sogenannten Henry VIII.-Klausel beschränkt werden, die Teil des Gesetzespakets bilden: Um bürokratische Verzögerungen zu verhindern, hat die Regierung die Möglichkeit, bestimmte Gesetze anzupassen, ohne die Zustimmung des Parlaments einzuholen. Dass dies aufgrund des Umfangs der EU-Gesetzgebung zu einem gewissen Grad nötig ist, steht außer Frage - derzeit sind rund 12 000 Verordnungen in Kraft. Die Opposition befürchtet jedoch, dass die Regierung diese Befugnisse missbrauchen und die Kontrollfunktion des Parlaments umgehen könnte.

Die Debatte über die Repeal Bill wird erst im Herbst beginnen, aber bereits jetzt ist klar, dass die Premierministerin mit starkem Gegenwind rechnen muss. Erschwert wird ihre Aufgabe dadurch, dass ihre Mehrheit im Parlament hauchdünn ist: Wenn nur sieben europafreundliche Tories mit den Oppositionsparteien stimmen, können die Pläne der Regierung blockiert werden. Es ist durchaus möglich, dass sich der Widerstand gegen Mays Brexit-Kurs über die Sommerpause verstärken wird: Mehrere konservative Abgeordnete zeigen sich frustriert, dass May sich anscheinend nicht mit der neuen Realität nach dem Wahldebakel vom Juni abgefunden hat. Die einflussreiche Anna Soubry beispielsweise meinte entnervt: »Wie viel Mal müssen Leute wie ich dies [der Regierung] noch sagen? Alles hat sich seit dem 8. Juni verändert.« May solle Brexit-Enthusiasten wie David Davis in die Schranken weisen und gemäßigten Tories wie dem Schatzkanzler Philip Hammond mehr Gehör schenken.

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