Wie kamen Siemens-Turbinen auf die Krim?

Konzern nach Auftauchen von Kraftwerksteilen auf der von Russland eingegliederten Halbinsel in Erklärungsnot

  • Denis Trubetskoy
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eine Geschichte, die große Schlagzeilen macht: Vor etwa zwei Wochen haben Einwohner der von Russland annektierten Halbinsel Krim zwei gelieferte Turbinen, die sie stark an Produkte von Siemens erinnerten, in der Hafenstadt Sewastopol entdeckt. Die Fotos gingen ins Internet, das Thema wurde brisant. Denn es ist verboten, Turbinen auf die im März 2014 nach einem umstrittenen Referendum Russland beigetretene Halbinsel zu liefern. Für Unternehmen mit Sitz in der EU gilt ein Ausfuhrverbot für die Krim, konkret für die Energiebranche ist dies vorgeschrieben.

Der Bedarf an Turbinen ist allerdings erst wegen der rechtswidrigen Angliederung an Russland entstanden. Früher wurde die Schwarzmeerhalbinsel über das ukrainische Festland mit Strom versorgt. Nach der Annexion sowie der ukrainischen Stromblockade Ende 2015 wollte Russland die Krim energietechnisch unabhängig machen. Ein wichtiger Teil davon ist die »Energiebrücke« - ein Unterseekabel, das unter der Straße von Kertsch liegt und die Halbinsel mit Strom aus der südrussischen Region Kuban versorgt. Das reicht aber noch nicht. Deswegen werden in Sewastopol sowie der Krim-Hauptstadt Simferopol zwei große Kraftwerke gebaut, die das Stromproblem lösen sollen.

Sie brauchen jedoch Turbinen, die größer sind als die, die russische Hersteller produzieren. Grundsätzlich wäre das kein Problem: Solche Produkte stellt ein Gemeinschaftsunternehmen aus St. Petersburg her, das die russische Firma Power Machines seit sechs Jahren mit dem Mehrheitseigner Siemens betreibt. Die Firma sollte ab 2015 vier Turbinen für ein Kraftwerk in Taman in der russischen Provinz Kuban liefern. Weil Anzahl und Beschreibung der Turbinen mit den für die Krim benötigten übereinstimmten und die Pläne für das Kraftwerk in Taman mysteriös blieben, gab es bereits damals Vermutungen, es könnte sich um eine Trickserei handeln.

Danach geschah viel Unverständliches. So nahm das russische Unternehmen Technopromexport die Ausschreibung für das Kraftwerk in Taman zurück. Technopromexport hatte angeblich finanzielle Schwierigkeiten und wollte die gelieferten Turbinen wieder verkaufen, was offenbar auch geschah. Sie wurden an ein weiteres Tochterunternehmen der russischen Staatsfirma Rostec, zu der auch Technipromexport gehört, verkauft - dieses soll die Turbinen auf die Halbinsel geliefert haben. »Wir können nicht beeinflussen, was der zweite Käufer mit den Turbinen macht«, kommentierte Siemens und bestätigte, dass zwei Turbinen tatsächlich auf der Krim landeten.

Damit stehen dort nun vier Siemens-Turbinen - und es wird spekuliert, dass in den vergangenen Tagen noch zwei hinzugekommen sind, die für ein weiteres Kraftwerk in Saki benötigt werden. Die Meldung kann derzeit nicht bestätigt werden. Neben Klagen vor russischen Gerichten will Siemens den Fall nun intern untersuchen, denn die vier Turbinen sollten für das Kraftwerk Taman benutzt werden. »Es gab entsprechende Klauseln in den Verträgen, es sollten von dort aus auch keine Stromleitungen auf die Krim gelegt werden«, betonte Siemens-Pressesprecher Philipp Encz gegenüber dem Energiemagazin »bizz energy«. Die Klauseln waren nötig, weil das Kraftwerk Taman noch nicht in Bau ist, während an Kraftwerken auf der Krim längst gearbeitet wird.

Auf jeden Fall handelt es sich um einen schwierigen juristischen Fall, den die Staatsanwaltschaft München prüft. Es ist schwer einzuschätzen, inwieweit hier Siemens selbst die Sanktionen verletzt hat und ob eine Verletzung aus rechtlicher Sicht überhaupt geschah. Klar ist jedoch, dass es politische Konsequenzen geben wird. »Es ist eine gute Lehre für alle verantwortlichen Wirtschaftsleute, dass man mit Betrügern keine Geschäfte führen soll«, sagte etwa der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin. Von einem bemerkenswerten Vorgang sprach der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert. Nach Informationen der »Wirtschaftswoche« prüft Siemens den Ausstieg aus zwei Großprojekten in Russland, was die Münchener selbst aber als »Spekulation« bezeichnen. Die nächsten Wochen werden spannend bleiben.

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