Der Unsinn vom Hochwald wird korrigiert

Rheinland-Pfalz: Freiwillige versuchen im Hunsrück, die Entwässerung der Hangmoore rückgängig zu machen

  • Peter Zschunke, Börfink
  • Lesedauer: 5 Min.

Torfmoose sind Lebenskünstler, Wasserkünstler: Sie können ein Vielfaches ihres Gewichts an Feuchtigkeit speichern. Moorexperte Jan Hoffmann nimmt ein Bündel von zwei Torfmoosarten in die Hand und drückt zu. Ein satter Strahl Wasser rinnt heraus. Hoffmann leitet bei der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz das EU-LIFE-Projekt »Hangmoore im Hochwald«. Jetzt ist er in den Thranenbruch im Nationalpark Hunsrück-Hochwald in Rheinland-Pfalz gefahren, um zu sehen, wie die Arbeiten an den alten Entwässerungsgräben vorankommen.

Diese wurden vor etlichen Jahrzehnten angelegt, um das Grund- und Quellwasser von den Hängen abzuleiten, damit dort Fichten für die Forstwirtschaft wachsen können. »Das ist ökologisch wie ökonomisch absurd gewesen«, sagt Hoffmann und schaut zu den dicht nebeneinander stehenden Stämmen hoch. Weil sich der Waldboden wegen der Entwässerung gesenkt hat, ragen die Wurzeln der Bäume hoch über dem Boden heraus - wie in einem Mangrovenwald. Der Boden blieb aber immer zu feucht, um dort mit Maschinen das Holz auf wirtschaftlich effiziente Weise aus dem Forst zu holen. Die Fichten sollen ab September gefällt werden, ebenso wie die Bäume weiter östlich.

Dort steht eine Gruppe von 20 freiwilligen Helfern und baut eine Sperre nach der anderen in einen Entwässerungsgraben. Sie rammen die Holzbretter von Spundwänden in den weichen Boden und füllen die Zwischenräume mit Sägemehl, Holzschnitzeln und Moorwasser auf. Diese »Zuger Methode« hat sich bei der Wiederbenässung von Mooren in der Schweiz bewährt. Zum Schluss wird Flatter-Binse darauf gepflanzt, als Schutz vor Erosion. »Ziel ist es, die Entwässerungsstrukturen zum Verschwinden zu bringen«, erklärt Lutz Rohland vom Bergwaldprojekt - der 1987 in der Schweiz gegründete Verein unterstützt Naturschutzprojekte an rund 50 Einsatzorten in Deutschland.

Die Freiwilligen sind mit den unterschiedlichsten Motivationen in den Hunsrück gekommen. »Ich habe jetzt einen Bürojob und wollte gern mal wieder ins Freie und was mit den Händen machen«, sagt die 34-jährige Leipzigerin Luise Ebenbeck. Im nächsten Jahr will sie wiederkommen. Das Moorprojekt gefalle ihr deswegen besonders gut, weil es sowohl dem Artenschutz diene als auch dem Klimaschutz, der ihr besonders am Herzen liege.

Wenn Moore trockengelegt werden, gelangt Sauerstoff in den Boden. Dabei wird der zuvor im Boden gebundene Kohlenstoff als Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Pro Kubikmeter Torf seien das 1,5 Tonnen, erklärt Hoffmann. Weil die »Hangbrücher« im Hunsrück aber weit kleiner und nicht so tief sind wie die großen Moore in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, ist der Beitrag für den Klimaschutz begrenzt.

Wichtiger ist die Rückhaltefunktion der Moore für den Hochwasserschutz. Mit den Mooren verbindet sich die Hoffnung, dass die Hochwasser nach Starkregenfällen gedämpft werden. Wie ein riesiger Schwamm können sie große Mengen Wasser aufnehmen, die Torfmoose saugen sich mit Wasser voll, und auch der darunter liegende Torf speichert Wasser.

Doch wo kommt eigentlich das viele Wasser her? Das liegt an der Kombination mehrerer Ursachen, antwortet der Leiter des Forschungsbereichs Hydrologie im Nationalpark, Julian Zemke, und nennt das relativ kalte Klima der Region, die geringe Verdunstung im Sommer und die hohen Niederschläge von 1000 bis 1200 Millimeter im Jahr. Hinzu kommt die besondere Bodenbeschaffenheit mit mächtigen Quarzitschichten, die bereits in einem Meter Tiefe beginnen und nur wenig Wasser durchlassen. Das Wasser tritt aus Verklüftungen an die Oberfläche und sammelt sich in Vertiefungen. Die Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau begleiten das Moorprojekt und untersuchen, wie sich die Maßnahmen bei Starkregen oder in Trockenphasen auswirken. Seit Ende 2016 ist es eher zu trocken.

Auch Ulrich Steinrücken von der saarländischen Firma Soilution ist im Wald. Mit einem Bohrstock entnimmt er Proben, bestimmt Bodentyp und die Feuchtigkeitsstufe auf einer Skala von null bis sechs. Im Auftrag der Stiftung Natur und Umwelt kartiert er den Boden - damit in ein paar Jahrzehnten mögliche Veränderungen festgestellt werden können. Bei seinen Erkundungen hat er eine Fülle von kleinen Quellmooren entdeckt, die noch gar nicht registriert sind.

Die gezielten Eingriffe der Moorschützer zeigen Wirkung. Hoffmann fährt ein paar Kilometer weiter. Im Thierchbruch wurden schon vor einem Jahr Gräben zugebaut. Dort blieben die Fichten aber stehen - in Erwartung, dass die Bäume mit der zunehmenden Nässe im Boden langsam absterben und so ein sanfterer Übergang zum Lebensraum Moor erfolgt. Hoffmann fallen viele kleine Nadeln auf dem Boden auf - ein Hinweis auf Borkenkäferbefall der geschwächten Fichten. Und im Bereich der alten Gräben entdeckt er eine Torfmoos-Art, die es im Thranenbruch noch nicht gibt: Das hell-rötliche Sphagnum magellanicum ist für ihn ein Beleg, dass die Renaturierung eingesetzt hat.

Drei Phasen werden im Moorprojekt unterschieden: Erstens die Wiederbenässung mit dem Schließen der Gräben, zweitens die Renaturierung mit der Ansiedlung und Ausbreitung von Arten, die für Moore charakteristisch sind, und drittens die sogenannte Restitution mit der Neubildung von Torf, also verdichtetem, zersetztem Pflanzenmaterial, etwa aus Torfmoosen - dieser Prozess zieht sich über Jahrzehnte bis Jahrhunderte hin.

Messgerät im ehemaligen Graben erfasst, wie viel Wasser den Hang hinabläuft. Bevor die Entwässerung im August 2016 zurückgebaut wurde, flossen hier bis zu neun Liter je Sekunde durch; jetzt ist der Abfluss zunächst um die Hälfte reduziert.

Von der Gesamtfläche des Nationalparks Hunsrück-Hochwald mit mehr als 10 100 Hektar sind etwa 1300 Hektar Feuchtstandorte, also mehr als ein Zehntel. Die Maßnahmen des Projekts erstrecken sich auf einer Fläche von 80 bis 90 Hektar. »Wir wollen diese Flächen reparieren, um die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich hier wieder eine natürliche Dynamik entwickeln kann«, erklärt Hoffmann. »Sonst würden die Moore verschwinden.« dpa/nd

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