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Suff und Puff
Chanson & Pop: Faber
Der neueste austauschbare Flausch- und Wuschelmann, der durch die Charts getrieben wird, heißt Julian Pollina, nennt sich Faber und hat in seinem früheren Leben Stimmungslieder auf Hochzeitsfesten gesungen.
Seine Musik folge »keinem Trend«, sagt der Mittzwanziger. Wer so etwas sagt, dem ist vorerst zu misstrauen. Denn er spricht selbst freiwillig und ohne Not in der Deppensprache des Musikgeschäfts. Und auch die veröffentlichten Interviews mit dem Künstler zeigen, dass es sich bei ihm nicht gerade um die am hellsten strahlende Leuchte im Lampengeschäft handelt.
Die Medien finden ihn logischerweise großartig, was in den meisten Fällen ein schlechtes Zeichen ist. Sie schreiben dann, dass seine Musik »keinem Trend folgt«. Hat der Künstler ja selbst so gesagt: »folgt keinem Trend«. Und der muss es schließlich wissen.
In der Regel wird von den Medien das Gefällige, das Mittelmäßige und widerstandslos durch die herrschende Verblödungsideologie Gleitende geschätzt, das »keinem Trend folgt«. Ein öder, biederer FDP-Schlagerpop von der Sorte AnnenMayKantereit und Tim Bendzko also, den all jene jungen, biederen, proper gekleideten, an fortgeschrittenem Optimismus erkrankten Menschen mögen, die oft auf Hochglanzplakaten der Jugendorganisationen politischer Parteien abgebildet sind bzw. so aussehen, als könnten sie jederzeit dort abgebildet sein.
Einer wie Faber, der mit den Klischees einer mindestens genauso öden melancholisch-testosterongetränkten Männlichkeit spielt, wird nun dem Publikum als eine Art lebende Antithese zum faden Bausparkassenpop angedreht. Mit schlimmen schmutzigen Wörtern, »drastischen Zeilen, die natürlich auch anecken (sollen)« (»Badische Zeitung«), »saftiger Sprache« (»Spiegel Online«) und »prollig-warmem Geraune« (»Stern«) lehre er all die anderen Schlagerlangweiler, dass man nicht hirn- und humorlose Phrasen aneinanderreihen müsse, um Erfolg zu haben. Auch die Springerpresse bejubelt brav die angebliche »Elendspoesie« des Schweizer Sängers, »die in manchen Songs fast schon expressionistische Höhepunkte hat« (»Die Welt«), und lügt den Chansonsänger zur widerständigen »Rebellenfigur« um, »die raucht, säuft und ›blasen‹ und ›ficken‹ singt«. Derlei Gehabe sei »Ausdruck eines neuen Intensitätsverlangens, das sich derzeit in allen Künsten Bahn bricht« (»Die Welt«). Die »Zeit« will, ganz ähnlich, im Debütalbum des Schweizers aufregende »Gossenpoesie« und »Säuferromantik« erkannt haben bzw. betrachtet es als eine »Platte zwischen Suff, Bordstein und Puff«.
Wäre aber tatsächlich jeder sturzbesoffene Junggesellenabschiedsteilnehmer, der laut genug seine jederzeitige Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr verkündet, eine »Rebellenfigur«, könnten wir uns in diesem Land vor Rebellenfiguren kaum retten.
Faber: »Sei ein Faber im Wind« (Vertigo/Universal)
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