Crew von Identitären-Schiff in Haft

Türkische Behörden setzen Kapitän und Mannschaft auf Zypern wegen Fälschung von Dokumenten fest

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Es läuft derzeit nicht gut für die Mission »Defend Europe« der europäischen Identitären. Wie am Mittwochmittag bekannt wurde, haben offenbar türkische Behörden ihr Schiff, die »C Star«, in Zypern gestoppt. Eigentlich wollten die völkisch-nationalistischen Identitären aus mehreren Ländern mit ihrem Schiff schon seit letztem Samstag vom sizilianischen Catania aus die Boote privater Seenotretter wie »Sea Watch« behindern. Nun bereiten die Behörden in Zypern der völkischen Gruppe weitere Schwierigkeiten.

Laut dem Nachrichtenportal Kibris Postasi wurde das Schiff von den Behörden am Mittwoch nach der Einfahrt in den Hafen von Famagusta kontrolliert. Daraufhin wurde die gesamte Mannschaft evakuiert und befragt. Neun Crewmitglieder sowie der Eigentümer des Schiffes wurden auf einer Polizeistation in Untersuchungshaft genommen. Das bestätigte »Kibris Postasi« dem »nd«. Das Bezirksgericht in Famagusta verlängerte die Haft am Donnerstagmorgen um weitere 24 Stunden.

Unter den festgenommenen Crewmitgliedern befindet sich nach Informationen der »taz« auch der Deutsche Alexander Schleyer. Der Kapitän der »C Star« ist ein ehemaliger Marinesoldat, steht der Identitären-Bewegung nahe und lebt in Wien.

Der Kapitän der »C Star« hatte falsche Angaben zur Crew gemacht, nun wird auch wegen des Verdachts auf Menschenschmuggel ermittelt. 20 indische Crewmitglieder hatten am Mittwoch das Schiff in Famagusta verlassen. Laut »Defend Europe« handelt es sich dabei um die »Trainee Crew«, also um Seeleute in der Ausbildung. Bilder der Onlinezeitung »Kibris Postasi« zeigen, wie Sicherheitskräfte das Schiff kontrollieren und Mitglieder der tamilischen »Praktikanten-Crew« in orangenen Arbeitsoveralls abtransportieren.

Sie wurden von der Polizei zum nordzyprischen Flughafen Ercan begleitet. Dort erklärten einige laut der Menschenrechtsorganisation »Refugee Rights Association«, sie hätten bis zu 10 000 Euro an einen Schmugglerring bezahlt, um mit dem Schiff nach Italien gebracht zu werden. 15 verließen die Insel am Mittwoch. Fünf von ihnen haben Asyl beantragt und werden derzeit von zypriotischen Beamten befragt. Sie sind derzeit als Gäste der nordzyprischen Regierung in einem Hotel untergebracht.

»Sie versuchen alles, um uns zu stoppen« schreiben die Identitären auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Gegenüber Buzzfeed sagte Martin Sellner, ein führender Kopf der Identitären, dass die »C Star« in Zypern gestoppt worden sei. Man wolle das Schiff mit falschen Vorwürfen aufhalten. »Genau wie im Suez-Kanal«, empört sich Sellner.

Letzte Woche war das Schiff tagelang von ägyptischen Behörden angehalten und offenbar umfassend kontrolliert worden. Seit Samstagmorgen setzte das Schiff dann seine Fahrt durch den Suez-Kanal und ins Mittelmeer fort. Am Montag lag das Schiff laut marinetraffic.com vor der Nordküste Zyperns, laut der letzten AIS-Position von Mittwochmittag liegt es nun im Hafen von Famagusta und »wartet auf Instruktionen«.

Hinter »Defend Europe« stehen in erster Linie deutsche, französische und italienische Mitglieder der »Identitären Bewegung«, die in Deutschland wegen ihrer völkischen Ideologie vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Rechtsextremen hatten eine Finanzierungskampagne im Internet gestartet, über 100 000 Euro eingesammelt und damit die 40 Meter lange »C Star« gechartert.

Die rechten Aktivisten wollen mit dem Schiff die Arbeit der internationalen Hilfsorganisationen blockieren, um zu verhindern, dass die Bootsinsassen nach Italien gebracht werden. Stattdessen wollen sie die libysche Küstenwache alarmieren, damit diese die Geflüchteten zurück in das nordafrikanische Land bringt.

In den letzten Tagen musste »Defend Europe« weitere Rückschläge hinnehmen. Nach dem zuvor auch Paypal das Konto von »Defend Europe« aufgelöst hatte entschied das Crowdfunding-Unternehmen Patreon der rechten Aktivistin Lauren Southern nicht weiter einen Account zur Verfügung zu stellen: »Wir glauben an die Meinungsfreiheit, aber es scheint so, als ob sie Geldmittel sammeln, um an einer Aktion teilzunehmen, die wahrscheinlich den Verlust von Menschenleben zur Folge haben wird«, erklärte das Trust and Safety Team der Internetfirma.

Die rechte Medienaktivistin Southern, die zuletzt bei den Protesten gegen G20 in Hamburg auffiel, will an Bord der »C Star« die Identitären begleiten. In der Vergangenheit hat sie öffentlich über »Netze« spekuliert, mit denen man die Propeller der Schlauchboote, auf denen sich Geflüchtete befinden, lahmlegen wolle.

Auch in Catania wartet keine gemütliche Ankunft: Der Bürgermeister von Catania hatte am Freitag eine Protesterklärung gegen die Aktion der Identitären veröffentlicht und die italienischen Behörden aufgefordert, ihnen die Einfahrt in den Hafen der Hauptstadt von Sizilien zu verwehren. Aktivisten vor Ort haben Proteste bei Eintreffen der »C Star« angekündigt.

Die »C Star« könnte ebenso ukrainische Söldner an Bord nehmen. Die Identitären-Aktivisten hatten zuvor erklärt man werde auch »Security-Mitarbeiter« an Bord haben. Die englische NGO »Hope not Hate« hatte letzte Woche die Verbindungen des Besitzers der »C Star« zu privaten Sicherheitsfirmen recherchiert, die östlich von Afrika Geleitschutz für Handelsschiffe anbieten, unter anderem mit ukrainischem Personal. Die »C-Star« selbst war dort in der Vergangenheit - damals noch unter dem Namen »Suunta« - als schwimmendes »Waffenarsenal« verwendet worden.

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