Tegel-Lärm: 300 000 betroffen

Senat stellt neue Karte zur Belastung vor / Opposition kritisiert Stimmungsmache vor Abstimmung über Offenhaltung des Flughafens Tegel

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der rot-rot-grüne Senat hat neue Argumente für eine Schließung des innerstädtischen Flughafens Tegel vorgelegt. Laut einer Karte der Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr belastet der Fluglärm der startenden und landenden Flugzeuge in den An- und Abflugschneisen des Flughafens fast 300 000 Berliner. Das sind die Ergebnisse von Lärmuntersuchungen, die die Verwaltung vorgenommen hat. Grundlage für die Messungen waren die Flugbewegungen aus dem vergangenen Jahr (siehe Kasten).

»Die Zahlen zeigen, dass der Flughafen Tegel eine enorm belastende Lärmquelle für sehr viele Berlinerinnen und Berliner ist«, sagt Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). Die Senatorin verwies darüber hinaus darauf, dass Politik verlässlich sein müsse. Anwohner würden seit Jahren darauf vertrauen, dass der Flughafen geschlossen werde, wenn der BER in Betrieb geht. »Viele von ihnen haben wichtige Lebensentscheidungen im Vertrauen auf diesen parteiübergreifenden Konsens getroffen«, so Günther. Und: Der anstehende Volksentscheid für die Offenhaltung des Flughafens Tegel verunsichere von Fluglärmbetroffene. Die Entlastung der gesundheitlich beeinträchtigten Menschen dürfte eines der stärksten Argumente des Senats in der laufenden Tegel-Auseinandersetzung werden. Parallel zur Bundestagswahl am kommenden 24. September sind die Berliner aufgerufen, in einem Volksentscheid über einen Beschlussentwurf abzustimmen, der den rot-rot-grünen Senat auffordert, die Schließungsabsichten zum Flughafen aufzugeben und Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern.

Trotz Umfragen, denen zufolge angeblich viele Berliner eine Offenhaltung Tegels wünschen, hält der Senat unterdessen an einer Schließung Tegels nach einer Eröffnung des BER fest. Seit dieser Woche wird die Debatte dazu noch deutlich schärfer geführt. Besonders großer Aufreger bei den Tegel-Befürwortern von CDU, AfD und FDP: Die Besichtigungstour von Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup am vergangenen Dienstag, bei der Medienvertretern der marode Zustand des Flughafens gezeigt wurde. »Allein für die Gebäude wären 550 Millionen Euro fällig, 350 Millionen Euro für die Erneuerung der Verkehrswege und 250 Millionen Euro für die Infrastruktur«, sagte Lütke Daldrup dabei. Zusätzlich wären bei einem Doppelbetrieb in Tegel und Schönefeld jährlich 100 bis 200 Millionen Euro Betriebskosten fällig.

CDU-Fraktionschef Florian Graf kritisierte daraufhin, die Zahlen um den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel würden immer absurder. »Wurde vom Senat 2016 noch eine Summe von 7,8 Millionen Euro jährlich für Infrastrukturausgaben veranschlagt, ist in der neuesten Rechnung von Infrastrukturausgaben in Höhe von 250 Millionen Euro die Rede«, sagte er. Dies scheine ein weiteres Manöver zu sein, um eine ehrliche Diskussion rund um das Volksbegehren Tegel zu torpedieren. Und der FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja kommentierte den Auftritt des Flugahfenchefs: »Mit Parolen der Angst versucht man populistische Stimmungsmache gegen eines der wichtigsten Zukunftsprojekte für Berlin.«

Dass eine Offenhaltung Tegels große Risiken und schwer kalkulierbare Folgen haben könnte, bewies unterdessen eine Havarie eines der beiden Stromkabel, mit denen der Flughafen versorgt wird. Dieses war bei dem starken Regen Ende Juni abgesoffen. Nach den Angaben der Flughafengesellschaft muss das 6000-Volt-Kabel auf 2400 Metern ausgetauscht werden. Die Kosten für die Maßnahme belaufen sich auf eine halbe Million Euro.

Nach der Medientour aufgekommene Befürchtungen, Tegel wäre wegen des kaputten Zustandes nicht mehr sicher, trat Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup indes entgegen: »Unsere Mannschaft vor Ort macht einen hervorragenden Job und kompensiert die Probleme aus der in die Jahre gekommenen Infrastruktur so reibungsarm wie möglich mit ihrer langjährigen Erfahrung.«

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