Autobauer wollen sich rauskaufen

Industrie schlägt laut Medienberichten einen Mobilitätsfonds vor

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Die deutschen Autobauer wollen sich offenbar unter anderem mit Zahlungen in einen Fonds vor Fahrverboten wegen überhöhter Abgaswerte schützen. Sie wollten auf dem Diesel-Gipfel am kommenden Mittwoch einen »Mobilitätsfonds« anbieten, berichtet die »Frankfurter Allgemeine Sonntagzeitung« unter Berufung auf Verhandlungskreise. Demnach soll ein dreistelliger Millionenbetrag in diesen Topf eingezahlt werden, mit dessen Hilfe die Luft in Deutschlands Großstädten saubergehalten werden soll.

Bei dem Diesel-Gipfel beratschlagen Politik und Industrie, wie Schadstoffemissionen bei Dieselfahrzeugen reduziert werden können. Umwelt- und Verbraucherverbände kritisieren jedoch, nicht eingeladen zu sein. Dabei ist der Gipfel eine Konsequenz aus dem Skandal um manipulierte Abgaswerte. Dieser erhielt vor einigen Tagen eine neue Wendung, als bekannt wurde, dass die deutschen Autobauer offenbar ein Kartell bildeten, in dessen Rahmen auch Aspekte der Abgasreinigung besprochen wurde. Zusätzliche Brisanz erhielt das Thema am Freitag durch ein Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart. Dieses entschied zu Gunsten der Deutschen Umwelthilfe und mahnte Fahrverbote in der baden-württembergischen Landeshauptstadt für ältere Dieselfahrzeuge an. Die Begründung: Luftreinhaltung und Gesundheitsschutz seien höher zu bewerten als die Eigentumsrechte der Dieselautobesitzer. Und seit 2010 werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in Stuttgart auf Grund schmutziger Diesel überschritten. Dabei können Stickoxide unter anderem Atemwegs- und Herz-Kreis-Lauferkrankungen auslösen. Sie sind dadurch verantwortlich für Tausende vorzeitige Todesfälle.

Die Autobauer hoffen, dass das Stuttgarter Urteil noch gekippt wird. Wenn sich die Hersteller mit der Bundesregierung auf Maßnahmen wie eine kostenlose Software-Nachrüstung von Autos mit den Schadstoffklassen Euro 5 und zum Teil auch Euro 6 einigten, sehe er »durchaus Chancen, dass das Bundesverwaltungsgericht als höchste Instanz zu einem anderen Ergebnis kommen könnte als Stuttgart«, erklärte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Der nun bekannt gewordene Vorschlag der Branche sieht vor, dass mit Hilfe des Fonds Studien für Verkehrsleitsysteme in den Kommunen finanziert werden. In einem zweiten Schritt sollen die Stadtverwaltungen Geld bekommen, um beispielsweise Parkplätze für Elektroautos zu bauen.

Auch werden steuerliche Anreize für den Kauf von schadstoffärmeren Fahrzeugen ins Spiel gebracht. »Es wäre ein guter Weg, wenn wir über die Reduzierung der Kfz-Steuer einen Anreiz zum Kauf eines neuen, emissionsarmen Euro-6-Diesels setzen würden«, sagte CSU-Parteichef Horst Seehofer dem Nachrichtenmagazin »Spiegel«. Ähnliches forderte im Rahmen einer »Klimaprämie« Niedersachsen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der im Volkswagen-Aufsichtsrat sitzt.

»Vor dem Diesel-Gipfel hat ein unwürdiger und willkürlicher Kuhhandel um Nachbesserungen beim Diesel eingesetzt«, warnte hingegen der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. Ihm zufolge muss die Einhaltung europäischen Rechts das Minimalziel für das Treffen kommenden Mittwoch sein. »Die Hersteller von Dieselfahrzeugen verletzen systematisch durch hohe Stickoxid-Emissionen die Vorgaben der EU-Zulassungsverordnung«, verwies Giegold darauf, dass Deutschland seit 2010 die EU-Luftqualitätsrichtlinie bei Stickoxiden verletzt. mit Agenturen

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