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Lust zur Kritik und Hoffen auf Besserung

Die Ausstellung zum Brandenburgischen Kunstpreis in Neuhardenberg ist ein Fest für die bildende Kunst

  • Gerd-Rüdiger Hoffmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Noch bis zum 8. Oktober ist auf Schloss Neuhardenberg die Ausstellung »Brandenburgischer Kunstpreis 2017« zu sehen. Werke der Malerei, Grafik und Plastik von 261 Künstlerinnen und Künstlern wurden eingereicht, 27 waren zum ersten Mal dabei, 76 sind in der Ausstellung zu sehen. Nachdem die brandenburgische Regierung beschlossen hatte, ab 2004 keine Kunstpreise mehr auszuloben, wird der Brandenburgische Kunstpreis von der »Märkischen Oderzeitung« und der Stiftung Schloss Neuhardenberg verliehen.

Seit 2008 wird der Ehrenpreis des Ministerpräsidenten für ein künstlerisches Gesamtwerk vergeben. In diesem Jahr erhielt ihn der 80-jährige Thomas Rother. Sein Wirken ist eng verbunden mit dem Leitmotiv der Kulturhauptstadt Ruhr aus dem Jahr 2010: »Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel«. Verbunden ist es zudem mit seinen in Eisenhüttenstadt entstandenen Grenzrosen aus Stahl, die an allen Außengrenzen Deutschlands aufgestellt werden und zur Grenzüberschreitung einladen. Auch von Rother sind Arbeiten in Neuhardenberg zu sehen.

Eine Grafikserie der im Oderbruch lebenden sorbischen Künstlerin Sophie Natuschke trägt den Titel »no go area«. Mit kraftvollen und schnörkellosen Strichen hat sie die von den Bibern zurückeroberte Landschaft gezeichnet. Wer die Auseinandersetzungen um die Zukunft des Oderbruchs als eine »zertifizierte europäische Kulturlandschaft« kennt, in der Naturschutz kaum vorkommt, bemerkt sofort, worum es geht - auch ohne pseudotheoretische Zuordnungen und lärmende politische Erklärungen. Abstraktion ist bei Sophie Natuschke Verzicht auf Überflüssiges. Sie erhielt den Preis für Grafik.

Ein Blickfang ist - wie fast immer - die Arbeit von Rainer Ehrt. In diesem Jahr ist es die Eichenholzplastik »Die drei Gesichter des Baal«. Ehrt bezieht sich sehr frei auf Brechts wildes Jugendstück »Baal« und stellt den Rufer, den Lauscher und den Falschen in Neuhardenberg aus.

Anna Franziska Schwarzbach, die sich in Lauchhammer wohl vergeblich müht, ein Porträt der Freifrau von Löwendal in Eisen gießen zu lassen, ist mit der Bronzeplastik »Kore mit Taube« vertreten. Fred Hüning, bekannt und geschätzt als Fotograf der Ostkreuzschule, widmet sich der Autopsie der ND-Ausgabe vom 13. März 1987 und rechnet mit albernen Gepflogenheiten des »vormundschaftlichen Staates« ab. Von der preisvergebenden Zeitung wurde er damit bereits im April als Preisanwärter gehandelt. Annerose von Hünefeld hat die Installation »Alles hat mit allem zu tun« eingereicht. Die Fäden zahlreicher verschiedenfarbiger Garnspulen bilden ein Knäuel, in dem sich kein Faden mehr allein behaupten kann. Das ist fast zu deutlich, aber immer noch subtil und heutig und nicht so vordergründig wie die Retrokritik von Hüning.

Viele wären mit interessanten Arbeiten zu nennen: Elli Graetz zum Beispiel mit ihrem Siebdruck »Artenvielfalt« oder auch Hans-Georg Wagner mit der Bronzeplastik »Pieta (Lambada am Strand von Lampedusa)«, Matthias Friedrich Muecke mit Siebdrucken zu Marion Braschs Roman »Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot« oder der Cottbuser Künstler Steffen Mertens mit »Demokraexit«.

Gesagt wurde mehrmals, dass die Bewerbungen 2017 im Vergleich zu 2016 mehr Lebensfreude ausstrahlten, nicht so problembeladen seien. Das mag so scheinen. Es stimmt aber nicht. Denn die Lust zur Kritik und das Hoffen auf Besserung im Umgang mit der Natur und unter den Menschen ist nicht zu übersehen. Kunst, vornehmlich bildende Kunst, wie sich in diesem Jahr besonders deutlich zeigt, muss das nicht grell oder mit vordergründiger Didaktik tun.

Den Brandenburgischen Kunstpreis für Malerei erhielt Eva Paul für ihre kleinformatige Serie »Im Tal der Barke« - neun nicht einmal postkartengroße Ölgemälde auf Kupferdruckpapier. Große Fragen im kleinen Format und außerdem sehr schön anzusehen.

Der Preis für Plastik ging an Sylvia Hagen für zwei zusammengehörende Bronzefiguren: »›p‹ (Penthesilea) und ›a‹ (Achill)«. Die passen nicht zusammen, ganz im Sinne von: Die können nicht zusammenkommen. Die Umstände sind nicht so, dass die Liebe zwischen Penthesilea und Achill stärker sein darf als der Tod. Das Thema Liebe kommt spröde daher, obwohl doch das edle Material mehr zu gefälliger Darstellung drängt. Oder eben doch nicht, wodurch Spannung in ein großes Thema kommt, das alles Banale ausschließt.

Die Ausstellung in Neuhardenberg ist ein Fest für die bildende Kunst und setzt einen Kontrapunkt angesichts von Beliebigkeit, Kommerz, Eventismus und Materialschlachten. Hier am »Rand« wird das Gehen von Umwegen gelassen als die normale Bewegungsform hingenommen. So berühren wesentliche Fragen tiefer, weil sie etwas mit dem »richtigen Leben« zu tun haben. Und es zeigt sich wieder einmal, dass Provinz nicht Provinzialität bedeuten muss.

»Brandenburgischer Kunstpreis«, bis zum 8. Oktober im Schloss Neuhardenberg, Schinkelplatz

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