Tiefgaragenplatz für 100 000 Euro

Nicht nur Spitzenpreise steigen, Wohnungen und Häuser werden auf breiter Front teurer

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

13,8 Millionen Euro für eine Eigentumswohnung nahe dem Brandenburger Tor, das war 2016 der Spitzenpreis für eine solche Immobilie in der Hauptstadt. Knapp 30 000 Euro kostete also jeder der über 400 Quadratmeter des zentral gelegenen Refugiums. Bei solchen Preisen spielen die 100 000 Euro, die der dazugehörige Tiefgaragenstellplatz kostete, praktisch keine Rolle. Der an diesem Dienstag veröffentlichte Immobilienmarktbericht dokumentiert nicht nur die Ausreißer, sondern den alltäglichen Wahnsinn auf dem Berliner Markt. Er basiert auf den Daten aller in Berlin notariell beurkundeten Immobilienverkäufe. Sogenannte Share Deals, bei denen formal nur Anteile einer Gesellschaft verkauft werden und keine Immobilie, sind allerdings nicht berücksichtigt.

Für Mieter besorgniserregend sind vor allem die weiter steigenden Verkaufspreise für Mehrfamilienhäuser. Die legten 2016 im Vergleich zum Jahr 2015 allein um 20 Prozent zu. Bereits 2016 stieg der Preis um 20 Prozent im Vorjahresvergleich. »Die erhöhten Kaufpreise für Mietwohnhäuser lassen nichts Gutes erwarten«, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV). Aufgrund der massiv angestiegenen Oberwerte beim Mietspiegel setzten Immobilienkäufer auf eine deutliche Steigerung der Mieten auch in bestehenden Mietverhältnissen, um ihre erhöhten Kaufpreise zu refinanzieren, heißt es beim BMV. Das werde zu einer weiteren Wohnkostenbelastung der Mieter führen. »Diese Entwicklung macht deutlich: Wir müssen politisch ins Marktgeschehen eingreifen, damit die Berlinerinnen und Berliner auch künftig noch bezahlbare Wohnungen finden«, sagt Wohnungs-Staatssekretär Sebastian Scheel (LINKE).

Auch Luxussanierungen und Umwandlungen in Eigentum sind nicht selten die Folge des Renditedrucks. Allerdings ist die Zahl der Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen von 2015 auf 2016 um fast ein Viertel zurückgegangen. Staatssekretär Scheel hält das für einen Erfolg der 2015 eingeführten Umwandlungsverordnung. In Milieuschutzgebieten ist seitdem die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum genehmigungspflichtig.

Auch Bauland wird teurer. Der Durchschnittspreis für tatsächlich stattgefundene Baulandverkäufe für den für Mietshäuser typischen Geschosswohnungsbau stieg 2016 im stadtweiten Durchschnitt um 14 Prozent auf 1064 Euro pro Quadratmeter. Der sogenannte Bodenrichtwert, der die Basis des Verkehrswertes bildet, lag zum 1. Januar 2017 für unbebaute Grundstücke für Geschosswohnungsbau im berlinweiten Durchschnitt sogar bei 2055 Euro pro Quadratmeter. Zum Jahresbeginn 2016 waren es noch knapp 1200 Euro. Bis 2013 schwankte dieser Wert für über ein Jahrzehnt um 500 Euro. Bei diesen Baulandpreisen lassen sich nur noch hochwertige Eigentumswohnungen realisieren. »Die Bundesregierung hat die Innenstädte aufgegeben, soziale Stadtentwicklung ist ein Fremdwort«, kritisiert Wild die Untätigkeit der Bundesregierung im Bodenrecht, Steuerrecht und Planungsrecht. Darauf könnten nach Ansicht des BMV die »wenigen Bebauungspläne nach dem kooperativen Baulandmodell des Senats nur bedingt Einfluss nehmen«.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), in dem hauptsächlich städtische und genossenschaftliche Wohnungsbaugesellschaften organisiert sind, fordert vom Senat bereits seit Längerem eine aktive Baulandpolitik. Konkret soll der Senat, etwa nach dem Vorbild von Hamburg oder München, Grundstücke ankaufen und zu gedeckelten Festpreisen an gemeinwohlorientierte Unternehmen weitergeben. »Die Genossenschaft BWV zu Köpenick ist bereits mit einem Neubauprojekt nach Schöneiche in Brandenburg ausgewichen, weil der Boden in Berlin zu teuer ist«, sagt BBU-Sprecher David Eberhart. Erst in der vergangenen Woche wandten sich auch 20 kleinere Genossenschaften in einem Offenen Brief an den Senat und forderten mehr Unterstützung auch bei der Baulandbeschaffung, um tatsächlich bezahlbare Neubauten errichten zu können (»nd« berichtete).

Wenig Begeisterung lösen auch die bisherigen Konzeptvergabeverfahren landeseigener Grundstücke aus. »Offensichtlich reichen die personellen Kapazitäten nicht für komplexere Verhandlungen«, sagt David Eberhart. Auch die Weitergabe von Land zum Verkehrswert ist oft keine gangbare Option. Selbst in einfachen innerstädtischen Wohnlagen erreicht dieser bis zu 5000 Euro pro Quadratmeter.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal