Mehr Geld, mehr Beschwerden

Die privatisierte Patientenberatung bleibt mit ihrem Callcenter-Modell in der Kritik

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) wurde nach einer Ausschreibung privatisiert, seit 2016 ist ein Dienstleister der Krankenkassen für sie zuständig. Die neue UPD verfügt zwar über deutlich mehr Geld als die frühere Variante, erreicht damit aber offenbar nicht die gleiche Qualität.

Zur Erinnerung: 2016 war nach einer Ausschreibung die frühere Unabhängige Patientenberatung durch eine neue Variante abgelöst worden. Die ursprüngliche Beratung zeichnete sich schon bei ihrem Trägerkreis durch eine deutlich stärkere Patientenorientierung aus: Der Sozialverband VdK e.V., der Verbund unabhängige Patientenberatung e.V. und der Verbraucherzentrale Bundesverband gehörten dazu. Die aktuelle UPD wird vom Beratungsunternehmens Sanvartis GmbH betrieben, das für Krankenkassen tätig war und ist.

Ende Juni hatte die Sanvartis-UPD ihre Ergebnisse für 2016 vorgelegt. Der Verbund unabhängige Patientenberatung e.V. verglich daraufhin die Ergebnisse mit denen des UPD-Monitors 2015. Mit der Ausschreibung veränderten sich auch die Finanzierungsgrundlagen, die neue Einrichtung erhielt demnach von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) neun Millionen Euro sowie von den privaten Kassen 630 000 Euro - vorher waren es nur 5,8 Millionen beziehungsweise 394 000 Euro gewesen. Was hat Sanvartis-UPD mit dem um 55 Prozent stärkeren Haushalt ausgerichtet?

In die Qualifizierung der Beratung scheint der Zuwachs nicht geflossen zu sein. Während bei der früheren UPD noch jeder Berater eine akademische Ausbildung vorweisen konnte, sind es aktuell nur 41 Prozent. Die Zahl der Beratungen wurde 2016 um 16,6 Prozent auf 93.827 gesteigert. Dabei ist die persönliche Beratung stark zurückgegangen, sie erfolgte nur noch in 3,7 Prozent der Fälle (laut Bundesregierung sogar nur 1,9 Prozent) - vorher waren es 14 Prozent. Das absehbare Callcenter-Modell wurde also umgesetzt. Im Vergabeverfahren wurde die versprochene Beratung zu Hause als besonders innovativ angesehen - sie hat offenbar überhaupt noch nicht stattgefunden.

Problematisch ist im neuen Modell die direkte Erreichbarkeit. Diese wollte die Sanvartis-UPD auch mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen absichern. In der Bilanz für 2016 wird auf eine von diesen UPD-Mobiles zurückgelegte Strecke von 650 000 Kilometern verwiesen - für 1600 Beratungen. Pro Beratung ergibt das 400 Kilometer.

Für muttersprachliche Angebote erhielt die UPD zwar 60 Prozent mehr Fördermittel allein von den privaten Krankenkassen, im Vergleich zu 2015 wurde mit 1128 Beratungen aber nur noch etwas mehr als ein Drittel der früheren Leistung geliefert. Auch inhaltlich fallen einige Veränderungen auf: Während beim Thema Krankengeld die Nachfrage um zehn Prozent wuchs, ging sie bei Fragen zur Einsichtnahme in Krankenunterlagen sowie Patientenrechte um jeweils mehr als 50 Prozent zurück. Auch Anfragen zu einem Behandlungsfehlerverdacht nahmen um 25 Prozent ab.

Während die neue UPD auf eine ausgedehnte zeitliche Erreichbarkeit ihrer Callcenter verweist, steigert sich zugleich die Zahl der Beschwerden von 18 im Jahr 2015 auf 559 im vergangenen Jahr.

Ein weiterer Punkt der Kritik sind die unklaren Geschäftsbeziehungen zwischen Sanvartis und der UPD. So werden Telefonanrufe zu Stoßzeiten an ein sogenanntes »Überlaufteam« weitergeleitet, deren Mitarbeiter bei Sanvartis angestellt sind. 2017 wurden im Januar 238 weitergereichte Anrufe gezählt, im März landeten 2712 Anrufe zunächst beim Überlaufteam. Außerdem gab es bis Februar 2017 Kommunikationsschulungen für Mitarbeiter der UPD, die ebenfalls von Sanvartis angeboten wurden. Seit März 2017 werden diese intern durchgeführt. Eine Auditorin, die nach Kritik am Vergabeverfahren benannt worden war, empfahl, die Unabhängigkeit der UPD zu stärken. Bis heute ist zudem nicht öffentlich, wie viel Sanvartis mit der UPD verdient.

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