Zagreb will keine Paprika aus Serbien

Kroatien verteuert Einfuhr von Essen vom Westbalkan

  • Elke Windisch
  • Lesedauer: 3 Min.

»Eigentlich dürfte ich das nicht sagen, weil es das Geschäft versaut. Aber wir sind ja Freunde. Daher: Kauf die lieber nicht! Die kommen aus Italien«, sagt Gemüsehändler Elvis und meint helle, kernlose Tafeltrauben. »In zehn Tagen sind unsere soweit. Die sehen vielleicht nicht ganz so toll aus, aber man schmeckt, dass sie beim Pflücken reif waren.«

Dennoch: Liebhaber von Obst und Gemüse, das von der anderen Seite der Adria kommt, müssen in Kroatien auch künftig auf nichts verzichten. Für die, die sich auf Paprika aus Serbien, kindskopfgroße Tomaten aus Mazedonien oder Melonen aus Bosnien und Montenegro freuen, brechen indes lausige Zeiten an.

Anfang August hat Kroatien die Gebühren für Qualitätskontrollen bei der Einfuhr pflanzlicher Agrarprodukte aus diesen Ländern um das 22-fache erhöht. Waren pro Fuhre - egal ob Sattelschlepper oder Sprinter - bisher umgerechnet zwölf Euro zu berappen, sind es jetzt 270. Die Staaten des Westbalkans sprechen von Diskriminierung und Protektionismus, was sowohl gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) als auch gegen die Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen verstößt, die die EU mit den sechs Beitrittskandidaten in dieser Region abgeschlossen hat. Bosnien hat daher im Namen aller Betroffenen bei der Europäischen Kommission Beschwerde eingelegt, Montenegro bei der WTO. Es sei bereits der dritte Angriff Kroatiens auf die Landwirte, klagte Bosniens Handelsminister Mirko Šarović und meinte Einfuhrverbote für Wein und Milchprodukte. Dennoch, fürchtet er, die Mühlen in Brüssel würden eher langsam malen, die Kommission könnte es den Konfliktparteien gar selbst überlassen, eine Lösung zu finden. Das würde Monate dauern. Dann sei die Hauptsaison vorbei und Zagreb habe sein Ziel - die Verdrängung unliebsamer Konkurrenz - erreicht.

Soweit wollen es die vier Westbalkanländer nicht kommen lassen. Auf einer Krisensitzung am Montag im bosnischen Sarajevo beschlossen sie in seltener Einmütigkeit ein Ultimatum. Rücknahme der Neuregelungen bis kommenden Montag oder »messerscharfe« Qualitätskontrollen für kroatische Lebensmittel. Das Gros, so ein bosnischer Beamter, der mit am Tisch saß, werde auf »grenznahen Sondermülldeponien enden«. Man bleibe jedoch offen für Verhandlungen mit Kroatien.

Zagreb begründet sein Vorgehen mit Mehraufwand für Qualitätskontrollen bei Agrarimporten aus Nicht-EU-Ländern. Ana, die auf dem Markt von Dubrovnik mit Bioware aus dem Familienbetrieb steht, findet das in Ordnung: Europa habe ihre Feigen und Auberginen vor dem Beitritt genau so kritisch beäugt wie Kroatien jetzt die der Nachbarn. Agrarminister Tomislav Tolušić will von einer Retourkutsche nichts wissen: Die Verordnung sei nicht gegen die Länder der Region gerichtet, sie gelte für alle 168 Staaten weltweit, die nicht Teil der EU sind. Ziel sei der Schutz der Verbraucher.

Dennoch spielt die von der nationalkonservativen Demokratischen Union (HDZ) geführte Regierung um Andrej Plenković mit dem Feuer. Bosnien importierte 2016 Obst und Gemüse im Wert von umgerechnet 225 Millionen Euro nach Kroatien. Der Löwenanteil kommt aus der Westherzegowina, wo Kroaten die größte Volksgruppe sind. Sie klagen bereits über herbe Verluste und drohen mit Wahlboykott. Fast alle haben neben einem bosnischen auch einen kroatischen Pass, gehören zur HDZ-Stammwählerschaft und haben schon so manchen Urnengang in Zagreb entschieden.

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