Eine Goldmedaille für die Türkei

Ramil Gulijew gewinnt überraschend das 200-m-Finale bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften

  • Andreas Schirmer, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Der türkische Staatspräsident war begeistert nach dem Sensationssieg des erst vor wenigen Jahren eingebürgerten Türken Ramil Gulijew im 200-Meter-Finale der Leichtathletik-WM in London. »Er macht uns alle stolz«, twitterte Recep Tayyip Erdogan kurz nach dem Rennen am Donnerstagabend. »Ich gratuliere von ganzem Herzen.« Gulijew ist der erste männliche Leichtathletikweltmeister in der Geschichte der Türkei.

Den 27-jährigen gebürtigen Aserbaidshaner, der erst seit 2013 Startrecht für die Türkei hat und das WM-Rennen mit 20,09 Sekunden gewann, hatte keiner auf dem Schirm. Topfavorit war der Südafrikaner Wayde van Niekerk. Er kam in 20,11 Sekunden um Haaresbreite vor Jeerem Richards (Trinidad und Tobago) als Zweiter ins Ziel. »Dieser Wettbewerb war eine massive Achterbahnfahrt für mich«, sagte van Niekerk. »Ich fahre mit zwei Medaillen nach Hause, die gute Farben haben: Gold und Silber.« Nach seinem 400-Meter-Triumph hatte er auch über 200 Meter auf einen Sieg gehofft, um einer Legende nachzueifern - dem Jamaikaner Usain Bolt, der erstmals seit der WM 2009 in Berlin über diese Distanz nicht am Start war und seine Karriere beendet. Für einige ist van Niekerk schon der neue Bolt.

Doch auf dem Weg dahin hat ihn Gulijew erst einmal gestoppt. Denn mit einer weiteren Goldmedaille wäre van Niekerk der erste Athlet seit 22 Jahren gewesen, der wieder ein Gold-Double auf diesen beiden Strecken geschafft hätte. Zuletzt war dies dem US-Laufhelden Michael Johnson bei den Titelkämpfen 1995 in Göteborg und ein Jahr später bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta gelungen.

»Es war kein Schock für mich, es fühlte sich aber auch nicht real an«, sagte Gulijew über seinen Siegermoment. »Das ist der beste Augenblick meiner Karriere.« Die Laufbahn Gulijews ist im Schatten von Usain Bolt verlaufen, zeigt aber eine Parallele zu dem Superstar aus Jamaika. Als Junior im Alter von 19 Jahren war er mit 20,04 Sekunden der zweitschnellste Sprinter nach Bolt. Außerdem lief er bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro neben dem Weltrekordler im Finale und belegte Platz acht. Bei der EM im vergangenen Jahr holte er die Silbermedaille. »Ich bin gegen einige der besten Läufer der Welt angetreten. Es hat mir nichts ausgemacht, dass die Aufmerksamkeit auf ihnen lag«, sagte Gulijew. »Vielleicht werden sie beim nächsten Wettkampf alle auf mich schauen.«

Kein großes Thema mehr war Isaac Makwala nach dem Rennen über 200 Meter. Der Weltjahresbeste landete nur auf dem sechsten Rang. »Ich bin nicht glücklich. Vorlauf und Halbfinale haben zu viel Kraft gekostet«, sagte der 30-Jährige aus Botswana. »Ich wollte unbedingt eine Medaille.« Dabei hatte er große Wut im Bauch. Der Weltverband IAAF hatte ihm wegen seiner Erkrankung - er war wie andere WM-Teilnehmer vom Norovirus infiziert worden - den Start im 400-m-Finale untersagt und ihn auch über 200 Meter wegen Quarantäne-Bestimmungen nicht antreten lassen wollen. Makwala erkämpfte sich die Teilnahme über 200 Meter, erhielt das Startrecht aber erst, als die Vorläufe schon vorbei waren. Mit 20,14 Sekunden zog er ins Finale ein, das aber nicht das erhoffte Ergebnis für ihn brachte. dpa/nd

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