Gute Retter, böser Staat

In der Krise greifen auch jene gern auf Steuergeld zurück, die sonst den Markt feiern

  • Lesedauer: 2 Min.

Als am frühen Dienstagmorgen über einen Vorstoß der SPD für eine »Insolvenzabsicherung von Fluglinien« berichtet wurde, wusste man von einer Pleite der Air Berlin noch nichts. Jedenfalls wusste dies die Öffentlichkeit noch nicht. Hinter den Kulissen war da schon seit einigen Tagen über einen Rettungskredit verhandelt worden. »In Dauertelefonaten« hätten sich Kanzlerin und Minister auf die 150 Millionen Euro teure Stützung des Bundes geeinigt. Kassenwart Wolfgang Schäuble habe zwar anfangs noch ein Veto eingelegt, aber ...

Die Geschichte passt schön im Wahlkampf: Weil man »unsere Leute« aus dem Ausland zurückfliegen müsse und aus Sorge um Beschäftigte, Flugbetrieb, Standort und was sonst noch aufgezählt werden könnte, wird eine Fluglinie vor dem unmittelbaren Absturz gerettet. Ob ihr Untergang abgewendet werden kann, steht noch in den Sternen.

Mag auch sein, dass die Entscheidung zu einem anderen Zeitpunkt anders ausgefallen wäre. Der Stützung von Air Berlin stimmen sechs Wochen vor der Wahl auch Politiker zu, die sonst vehement gegen staatliche Eingriffe auftreten. Als es 2010 um den in die Krise geratenen Autobauer Opel ging, stimmte FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle gegen eine öffentliche Kreditbürgschaft. Der aktuelle Chef der Freidemokraten, Christian Lindner, sinniert nun, unter welchen Umständen »Staatshilfen möglicherweise vermeidbar gewesen« wären, ein Nein zur Air-Berlin-Stützung traut er sich im Wahlkampf aber nicht. Angela Merkel wiederum, die in der Causa Opel gegen Brüderle agierte, weiß um den »Wirtschaftsflügel« ihrer Union, der warnte, »abgesehen von der kurzfristigen Unterstützung« dürfe die Airline »nicht zu einer Dauerbaustelle werden«. Motto: Gute Retter, böser Staat.

1999 »rettete« Gerhard Schröder den Baukonzern Holzmann - für ein paar Jahre. Bei Banken wurde in der Finanzkrise ab 2008 ebenfalls auf Steuergeld zurückgegriffen, um unternehmerische Risiken zu sozialisieren. Politischer Einfluss auf die weitere Geschäftstätigkeit im Sinne gesellschaftlicher Interessen wurde praktisch kaum ausgeübt. Das wäre eine Alternative zum bloßen Einspringen des Staates in Krisenfällen. Doch soetwas hört man nicht einmal im Wahlkampf. tos

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal