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Die AfD verroht den Politikstil

Amadeu Antonio Stiftung warnt davor, wie die Rechtsaußenpartei den Bundestag zu ihrer Bühne machen könnte

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Vier Wochen vor der Bundestagswahl deuten sämtliche Umfragen darauf hin: Die AfD dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit in das neu zu wählende Berliner Parlament einziehen. Für die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) steht schon jetzt fest, dass eine Fraktion der Rechtsaußenpartei zu einem Verlust der demokratischen Kultur im Hohen Haus führen werde, warnt AAS-Geschäftsführer Timo Reinfrank am Mittwoch in Berlin.

Die Befürchtung beruht auf den Erfahrungen, die im Auftreten der AfD auf Landes- und Kommunalebene schon gemacht wurden. Bisher sitzen die Rechten in 13 Landesparlamenten, einige der dort auftretenden Parteivertreter schielen mit sicheren Listenplätzen bereits auf einen Wechsel in die Bundeshauptstadt. Was dies für die parlamentarische Kultur bedeuten dürfte, zeigt etwa das Beispiel des Thüringer AfD-Spitzenkandidatens Stephan Brandner, der bereits im Erfurter Landtag sitzt.

Seit die Rechtsaußenpartei vor zwei Jahren ins Parlament einzog, hat sich die Zahl der Ordnungsrufe in den Debatten verdoppelt, berichtet Matthias Quent, Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Thüringen. In der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode habe es 71 Ermahnungen gegeben, allein auf das Konto von Brandner gingen dabei laut Quents Angaben 24 Ordnungsrufe. Inhaltlich geben sie einen Vorschmack darauf, wie tief die Debattenkultur im Bundestag zu sinken droht. So bezeichnete Brandner Vertreter der Grünen im Mai 2016 unter anderem als »Kinderschänder« und »Koksnasen«. Am Ende wurde er für seine Beleidigungen des Saales verwiesen, AfD-Fraktionschef Stefan Möller bezeichnete die Strafe als unverhältnismäßig. Ein deftiger Sprachgebrauch sei in der politischen Auseinandersetzung an sich nichts schlimmes, sagt Quent, die AfD übertrete dabei aber wiederholt absichtlich Linien, auch indem sie ihre Angriffe gezielt gegen einzelne Vertreter anderer Parteien richte und diese einschüchtere.

Neben der sprachlichen Verrohung sei außerdem bedenklich, über welche Ressourcen die AfD für ihre künftige Arbeit verfügen dürfte. Würde die AfD mit etwa acht Prozent in den Bundestag einziehen, stünden der Fraktion nach Berechnungen der ASS Gelder in Höhe von 12 Millionen Euro zur Verfügung. Für die Partei sei dies ein »zentrales Machtelement«, das nicht zu unterschätzen sei, betont Reinfrank, zumal sie ihre Professionalisierung damit weiter vorantreiben könnte. Unmittelbaren politischen Einfluss würde eine AfD-Fraktion über die Besetzung von wichtigen Positionen gewinnen. Bleibt es bei den bisherigen Regeln, stünde es der Rechtsaußenpartei zu, vier Ausschussvorsitzende zu stellen. Ob die Partei diese Möglichkeit auch wirklich voll ausnutzt, ist zumindest fraglich. Sowohl Quent als auch Thomas Hahnel vom Miteinander-Netzwerk in Sachsen-Anhalt bestätigen, dass AfD-Vertreter in solchen Positionen bisher nur geringen Schaden anrichten konnten, da eine Sacharbeit seitens der Rechtsaußenpartei in den Landtagen kaum stattfinde.

Gleichzeitig sei dies aber eine Gefahr, da die AfD Parlamentsdebatten bisher als Bühne »für ideologische Kampagnen« betrachte, so Quent. Wichtig sei deshalb, dass die anderen Parteien sich über ihrem Umgang mit einer AfD-Fraktion absprechen, ihre Forderungen nicht aus Angst um Wählerstimmen kopierten, sondern sich mit den Inhalten sachlich auseinandersetzen. Zugleich sollten die Rechtsaußenvertreter nicht unnötig durch Reaktionen auf jede Provokationen aufwertetet werden. Die sei in der Praxis »ein Balanceakt«, räumt Hahnel ein.

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