Erst Rechts, dann Links

Zensur im Internet

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Über den Kampf gegen »rechte Hasssprache« wird ein Zensurmodell für das Internet salonfähig gemacht, dass - erst einmal etabliert - gegen alle möglichen politischen Strömungen und Meinungen einsetzbar ist. Der angebliche Kampf gegen »Nazis« und gegen das mit viel Bedacht sehr allgemein gehaltene Delikt der »Fake News« im Netz dient als trojanisches Pferd: um Instrumente in die Gesellschaft zu schmuggeln und salonfähig zu machen, die sich jenseits aller vor Gerichten einklagbaren (oder abwendbaren) Rechtssprechungen bewegen. Zwei Beispiele der Internet-Zensur in verschiedenen politischen Grauzonen aus dieser Woche verdeutlichen die Dringlichkeit, mit der sich Bürger gegen das (nicht nur) mit dem infamen »Netzwerkdurchsetzungsgesetz« eingeführten Prinzip der staatlich-privaten Zensur stellen sollten.

Im ersten Fall betätigte sich Youtube im »Pre-Crime«-Bereich und erreicht dadurch eine ganz neue Stufe des nicht legitimierten Eingriffs in die Diskussionskultur: Es werden Gedanken zensiert, bevor sie geäußert werden. Das aktuelle Beispiel passt zudem gut als Illustration des Prinzips »erst die Rechten, dann die Linken«, da wahrscheinlich viele »Linke« nicht bedauern werden, dass diese Inhalte getilgt wurden, bevor sie überhaupt geäußert wurden, weil sie politisch anderer Meinung sind. Dass Linke aber mit einer Zustimmung zu der unten erläuterte Praxis der zukünftigen Zensur der eigenen (linken!) Inhalte den Weg ebnen - diese Erkenntnis setzt sich in den von hehren Anti-»Nazi«-Phrasen überrumpelten Kreisen nur langsam durch. Helfen könnte bei dieser Erkenntnis der zweite unten geschilderte Fall, bei dem ein eindeutig linkes Projekt mit den angeblich zum »Kampf gegen Hass« eingeführten Waffen attackiert wurde.

Im ersten Fall geht es um den Kulturkampf um »Gamergate«. In diesem Streit gerieten feministische Spiele-Programmiererinnen mit einigen ihrer männlichen Kollegen in einen erbitterten Disput über frauenfeindliche Strukturen in dieser Industrie und Fankultur, wobei Teilen der männlichen Seite zu Recht eine hasserfüllte Sprache vorgeworfen wurde. In dieser Woche nun wollte die Youtuberin Giovanna Laine ein Live-Interview mit dem Autor des Buches »Inside Gamergate« führen - und bekam dafür (»wegen Verstoßes«) eine Sperre von der Video-Plattform verpasst. Und das prophylaktisch, bevor auch nur ein Wort geäußert wurde, an denen sich private Zensoren oder gar ordentliche Gerichte hätten stoßen können.

Akzeptiert man ein solches Vorgehen gegen den politischen Gegner, dann legitimiert man auch das Vorgehen von Google gegen die antifaschistische »Aktion Arschloch«. Diese Aktion hat den Anti-Nazi-Song »Arschloch« der Band Die Ärzte auf Platz 1 der Charts manövriert, wurde von Google diese Woche aber vorübergehend gesperrt - wegen laut Google »Verhaltensweisen, durch die andere Personen bedroht, belästigt oder gemobbt werden«. Der Boden ist bereitet: Das jüngste Opfer der Internet-Zensur ist die linksradikale Seite »Indymedia«.

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