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Maßnahmen gegen Streuner

Thüringen gibt jährlich 50 000 Euro aus, um freilebende Katzen zu kastrieren

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Lebendfalle, die zu den Füßen von Petra Dünkler steht, ist eine raffinierte und doch simple Konstruktion. Etwa einen Meter ist die Box lang, ihre Wände bestehen aus einem Drahtgeflecht. In der Mitte befindet sich eine beweglich gelagert Platte, die sowohl in die eine wie in die andere Richtung kippen kann. Manche Katzen, sagt Dünkler, schafften es zwar, beim Vorwärtsgehen irgendwie über diese Platte zu steigen und den Köder zu fressen, der in der Falle liegt. Doch spätestens dann, wenn die Tiere versuchten, wieder rückwärts aus der Falle heraus zu kommen, lösten sie einen Mechanismus aus, indem sie mit einer Pfote die Platte berührten. Hinter ihnen fällt dann eine Klappe nach unten, die den Eingang der Falle verschließt. In diesem Moment ist die Katze der Hilfe ein großes Stück näher gekommen, die Dünkler und anderen Ehrenamtlichen den Tieren bieten.

Diese Hilfe für die Tiere kann vielfältig sein. Und soll doch nach dem Wunsch Dünklers - die Vorsitzende des Tierschutzvereins Erfurt - immer auch die Kastration der herrenlosen Katzen umfassen, so die Tiere nicht bereits kastriert sind. Zwar, erzählt Dünkler, müssten aufgegriffene oder eingefangene Katzen oft erst noch anderweitig medizinisch versorgt werden, ehe sie kastriert werden könnten. Weil sich häufig herausstelle, dass ihre Zähne verletzt seien, sie zugewachsene Abszesse hätten oder von Milben befallen seien. »Das kann man ja nicht so lassen und sagen: ›Wir wollen nur kastrieren‹«, sagt Dünkler. Doch wann immer möglich, gehe es eben auch darum, die unkontrollierte Vermehrung der Katzen in der Landeshauptstadt einzuschränken.

Das ist ein Ziel, dem sich die Ehrenamtlichen des Tierschutzvereins Erfurt schon seit mehr als zwei Jahrzehnten verschrieben haben und dem sie inzwischen schon recht nahe gekommen sind. Habe es im Jahr 1990 etwa 20 000 streunende Katzen in Erfurt gegeben, sagt Dünkler, so seien es nicht zuletzt durch die Hilfe ihres Vereins inzwischen nur noch etwa 5000.

Die Tiere lebten zum Beispiel an Parkplätzen, in Kleingartenanlagen und auch in Wohngebieten. »Dabei ist es aber nicht unser Ziel, die Stadt clean zu kriegen.« Auch freilaufende Katzen hätten »ihre Berechtigung im biologischen Kreislauf«. Denn: »Da, wo es Katzen gibt, gibt es keine Mäuse und Ratten«, sagt Dünkler. Für eine Stadt wie Erfurt seien etwa 2000 bis 2500 freilaufende Katzen »in Ordnung«. Auch nach ihnen, sagt sie, müsse dann freilich regelmäßig geschaut werden.

Nicht nur in Erfurt, auch in allen anderen Teilen des Freistaats gibt es freilaufende Katzen. Auch wenn deren Vorkommen nach Angaben des Thüringer Sozialministeriums regional sehr unterschiedlich ist. »So haben beispielsweise Erfurt, das Altenburger Land und das Eichsfeld aufgrund der Vielzahl der dort lebenden herrenlosen Katzen bereits Katzenschutzverordnungen eingeführt«, sagt ein Sprecher des Ressorts.

Katzenhalter überall im Freistaat seien daher gehalten, ihre Katzen - vor allem solche, die alleine durch die Gegend streifen - vor dem Freigang kastrieren und mittels Mikrochip kennzeichnen zu lassen. Auch wenn es keine genauen Daten dazu gebe, wie oft freilaufende Katzen in Thüringen Krankheitserreger auf Menschen übertragen, sei es doch grundsätzlich so, dass zu Beispiel Würmer oder Erreger für eine Toxoplasmose von den Tieren auf Menschen übersetzen könnten.

Und weil es auch Ziel des Ministeriums sei, die unkontrollierte Vermehrung von freilebenden Katzen zu verhindern, erläutert der Sprecher, unterstütze der Freistaat Vereine wie den von Dünkler seit Längerem schon mit nicht wenig Geld. Dünkler sagt, ihr Verein habe im vergangenen Jahr 3000 Euro vom Sozialministerium für die Kastration von Katzen erhalten. Ebenso in diesem Jahr. Eine Summe in dieser Größenordnung könne auch von allen anderen gemeinnützigen Tierschutzvereinen im Land beantragt werden, so der Ministeriumssprecher. Insgesamt habe Thüringen für die Kastration der Katzen 2016 etwa 50 000 Euro ausgegeben. Die gleiche Summe soll im laufenden Jahr zusammenkommen. »Im Doppelhaushalt 2018/2019 sind Mittel für die Kastration von herrenlosen Katzen ebenfalls vorgesehen«, sagt der Sprecher. Was aber auch meint: Für all die medizinische Hilfe, die Tierschutzvereine jenseits der Kastration für die Katzen organisieren, sind die Ehrenamtlichen zu einem großen Teil auf Spenden angewiesen.

Dass ausgerechnet Dünkler inzwischen eine der engagiertesten Katzen-Helferinnen in Thüringen ist, hatte die ehemalige Lehrerin so nicht geplant. Bis die heute 69-Jährige mit ihrem Mann in den 1990er Jahren in ein Dorf im Landkreis Gotha gezogen sei, habe sie noch nie eine Katze auf dem Schoß gehabt, erzählt Dünkler. Dann habe sie eine vermutlich angefahrene Katze auf der Straße gefunden - und die Helfer des Vereins in Erfurt deswegen angerufen. Dann wurde sie Mitglied, 2013 dessen Vorsitzende. »Inzwischen ist mir die Hilfe für Katzen zu einer Herzensangelegenheit geworden«, sagt sie.

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