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Nordkorea meldet massiven Bombentest

Heftige Kritik aus China, Russland, Südkorea / Kim: Wasserstoffbombe mit »unvergleichlicher Vernichtungskraft«

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Trotz aller Warnungen hat Nordkorea zum sechsten Mal eine Kernwaffe getestet. Staatsführer Kim Jong Un ließ Bilder davon veröffentlichen, wie er einen silbrig lackierten Gegenstand in Form einer überdimensionierten Erdnuss inspizierte, angeblich eine Wasserstoffbombe. Am Sonntagmittag koreanischer Zeit registrierten die Erdbebenwarten weltweit heftige Erschütterungen, die vom Atomtestgelände in Punggye-ri ausgingen.

Die Bombe war den Messungen zufolge etwa zehnmal stärker als die Waffe, die beim vorigen Test im September detoniert ist - ein deutlicher Fortschritt für Kims Nuklearprogramm. Während die Bombe im vergangenen Jahr die Explosionskraft von rund zehntausend Tonnen herkömmlichen Sprengstoffs erreicht hat, waren es diesmal über hunderttausend Tonnen.

Der nordkoreanische Fernsehsender KCTV verkündete am Sonntagnachmittag einen »vollen Erfolg« bei dem Test einer selbstentwickelten »Bombe mit unvergleichlicher Vernichtungskraft«. Dank der vorhandenen Raketen lassen sich damit auch ferne Länder angreifen, sagte die Ansagerin voller Stolz.

Der neue Atomtest kommt in einer angespannten Lage und gilt als besonders gefährlicher Akt. US-Präsident Donald Trump hatte Kim bereits mit »Feuer und Verderben« gedroht, wenn er die Provokationen fortsetze. Vor einem »brandgefährlichen Spiel mit dem Untergang«, warnt Yoon Young-kwan, Professor für Internationale Beziehungen an der Seoul National University. In jeder Runde werden die Drohungen ernster. Es drohe der Ausbruch eines Krieges, obwohl keine Seite ihn will und alle Seiten nur verlieren können.

China, verurteilte den Atomtest am Sonntag daher auch ungewöhnlich deutlich. »Wir fordern atomare Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel«, teilte das Außenministerium in Peking mit. Nordkorea solle den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats Folge leisten. »Falsche Handlungen, die die Situation verschlimmern, sind zu unterlassen. Nur Dialog kann die Probleme lösen«, so Peking. China werde sich aktiv für den Abzug von Atomwaffen aus Korea einsetzen.

Für Chinas Präsident Xi Jinping kam die Provokation des Nachbarn zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Er schickte sich gerade an, in der Hafenstadt Xiamen den Gipfel führender Schwellenländer zu eröffnen. Im kommenden Monat findet in Peking zudem ein richtungsweisender Kongress der Kommunistischen Partei statt - außenpolitischen Ärger kann Xi derzeit nicht gebrauchen. Er erwähnte den Atomtest am Sonntag nicht, doch er sprach in seiner Rede in Xiamen von »dunklen Schatten über der Sicherheitslage«.

Japan war am Sonntag ebenfalls alarmiert: Nordkorea hat erst in der vergangenen Woche eine Rakete über Hokkaido, die Nordinsel des Landes hinweggeschossen. Premier Shinzo Abe kündigte »maximale Maßnahmen« an, um Nordkorea zu stoppen. Ein Regierungssprecher dachte laut über die Möglichkeit eines totalen Handelsstopps mit Nordkorea nach. Bisher liefern China und Russland immer noch Öl nach Nordkorea - allerdings weniger als vor Inkrafttreten der jüngsten UN-Sanktionen.

Die japanische Luftwaffe hat Flugzeuge aufsteigen lassen, um Luftproben in der Nähe des Testgebiets zu nehmen. Die Zusammensetzung der radioaktiven Elemente verrät Physikern, um was für eine Waffe es sich gehandelt hat. Bisher tippt man auf eine Atombombe, die mit einer Beiladung von Wasserstoff verstärkt ist. Eine echte Wasserstoffbombe ist technisch deutlich schwerer machbar als so eine Waffe - sie sind im Allgemeinen noch stärker als das, was da am Sonntag explodiert ist. Realistisch scheint dagegen Nordkoreas Behauptung, der Sprengkopf sei klein genug, um in den Kopf einer Rakete zu passen.

Prof. Yoon hält nun eine weise Reaktion der US-Regierung für ungeheuer wichtig, um eine Katastrophe zu vermeiden. »Sowohl die USA als auch Nordkorea müssen es vermeiden, sich gegenseitig in eine Ecke zu drängen, aus der es keinen gesichtswahrenden Ausweg mehr gibt.« Während der Kuba-Krise 1962 habe US-Präsident John F. Kennedy keinen absoluten Sieg seines Landes angestrebt, sondern Konzessionen gemacht: Die USA hätten damals Atomraketen aus der Türkei abziehen lassen. Der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow stand damit in seinem Lager ebenfalls als Gewinner da - und konnte zustimmen.

Doch ob so eine Deeskalation mit Kim und Trump ebenfalls klappt? »Keiner von beiden scheint sich politisch sicher genug zu fühlen, um nachzugeben«, glaubt Yoon. Angesichts der enormen Risiken müssten sich nun andere Akteure stärker engagieren. Damit ist vor allem China gemeint.

Im Jahr 1994, während der ersten Atomwaffenkrise um Nordkorea, hatte Peking klargemacht, dass es Pjöngjang nicht unterstützen würde - und damit wohl zum Nachgeben gebracht. China könne heute öffentlich und eindeutig erklären, dass Nordkorea im Konfliktfall auf sich allein gestellt sei, meint Yoon. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass Kim dann nachgebe - wenn Trump ihm eine gesichtswahrende Chance dazu gibt.

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