Diese alten schmutzigen Lieder

Mit seiner bereits fünften Ausgabe hat sich das Folkfestival »Windros« in Schwerin fest etabliert

  • Lesedauer: 3 Min.

Das Schweriner Folkfestival fand nun schon zum 5. Mal statt. Wie ist es entstanden?

Der Schweriner Bernd Sievers von der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Meyering vom Deutschlandradio und ich trafen uns 2012 auf einem Folkfestival in Venne, Westfalen. Wir dachten, das wollen wir auch. Und 2013 fand im Freilichtmuseum Mueß das erste Windros-Festival statt.

Wie kamen Sie auf den ungewöhnlichen Veranstaltungsort?

Ich hatte bereits Kontakt zum Volkskundemuseum. Nach meiner Lehrzeit als Elektriker, Anfang der 1980er-Jahre, wollte ich das Abitur an der Abendschule nachholen. Das war aber als Schichtelektriker unmöglich. Damals begann ich auch, Folkmusik zu machen. Eines Tages fragte ich im Freilichtmuseum Mueß nach, ob man dort musizieren dürfe. Der damalige Museumschef, Ralf Wendt, sagte, er suche auch einen Hausmeister, ob ich jemanden wüsste. Das passte. Als Hausmeister wirken, Abitur machen und musizieren. Bis zum Studium 1990 war ich im Museum tätig.

Dianeben fungiert die Arbeiterwohlfahrt als Träger, auch nicht der typische Musikveranstalter.

Bernd Sievers hatte den Kontakt. Die AWO ist Träger des Feriendorfes in Mueß gegenüber dem Museum. Wolfgang Meyering macht im Deutschlandradio die Folksendung. Er hat lange beim Festival in Rudolfstadt mitgearbeitet und kennt die Szene. So kam eins zum anderen.

Wie kamen Sie zur Folkmusik? In der DDR war das ein Nischengenre.

Angefangen hat alles mit einer Schallplatte von Pete Seeger, dem 2014 verstorbenen amerikanischen Folksänger. Unsere Englischlehrerin benutzte seine Musik, um uns die Sprache beizubringen. Diese Musik hat mich sehr interessiert. In meiner Lehrlingsbrigade bei der PGH Elektroblitz lernte dann Jens Fandrey kennen. Er war Boxer bei Traktor und spielte in der Folkband Tramscheid Gitarre. Bei einer Tramptour durch die DDR traf ich ihn zufällig in Magdeburg und war dann auf dem Konzert. Dort hörte ich erstmals Deutschfolk live, also deutsche Lieder und das wollte ich machen. Ich wollte den alten Sound aufgreifen. Diese alten schmutzigen Lieder singen, die teils auch politisch waren. Wenn man ein Auswandererlied des 19. Jahrhunderts in der DDR spielte, hatte das eine spezielle Bedeutung.

Welche Instrumente spielen Sie?

Gitarre habe ich bei Jens Fandrey gelernt. Von meinem Opa bekam ich eine Mandoline, er spielte mit meinem Vater in einem Mandolinenorchester. Außerdem spiele ich noch ein diatonisches Knopfakkordeon, Maultrommel, Waldzither und Dudelsack. Ende der 1990er Jahre habe ich in Bands wie Kwart und Malbrook gespielt. Letztere gibt es noch. Zudem unterrichte ich Dudelsack. Dass der immer populärer wird, schreibe ich mir auch selbst ein bisschen zu. Ich habe für dieses Instrument viele Stücke aus historischen Quellen herausgesucht.

Das Festival unter dem Motto »Voices & Noises« - es gab aber mehr als »Stimmen und Geräusche« ...

Natürlich geht es zuerst um Musik, wir hatten dieses Jahr mehr als 60 hochkarätige Musiker aus ganz Europa, die mehr als 30 Konzerte spielten. Den von mir geliebten Dudelsack ließ etwa das Orchester »Pipenbock« am Freitag schön erklingen. Aber es stellten zum Bispiel auch geflüchtete Zuwanderer ihre Musik vor. Neben der Musik gehören aber immer auch Tanzveranstaltungen, Vorträge und Ausstellungen zum Festivalkonzept. Eine Ausstellung zeigte etwa historische Tanzmusikhandschriften aus dem 18. bis 20. Jahrhundert. Sie gehören zum »Zentrum für traditionelle Musik«. Das ist ein Institut, das 2014 im Freilichtmuseum gegründet wurde und seinen Sitz seit 2017 im Kinningshus hat.

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