Berliner Stadtschloss: Der Steuerzahler schultert das Risiko

Wenn der Fluss der Spenden für das Stadtschloss stockt, sichert der Bund den Baufortschritt / Es geht um über 100 Millionen Euro

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Gerüste fallen: rekonstruierte Barockfassade des Schlosses
Die Gerüste fallen: rekonstruierte Barockfassade des Schlosses

In dieser Woche, am 14. September, jährt sich der Geburtstag von Alexander von Humboldt zum 248. Mal. Nach den Humboldt-Brüdern, dem großen Naturforscher Alexander und dem Gelehrten und Bildungsreformer Wilhelm, wird das künftige neue Kulturquartier der Hauptstadt Humboldt Forum benannt. Es entsteht, weithin sichtbar, als Rekonstruktion des im Krieg schwer beschädigten und in der DDR beseitigten Berliner Schlosses am historischen Standort. Einem Ort, den zuvor rund für zwei Jahrzehnte der Palast der Republik geprägt hatte. Längst steht das Schloss mit Kuppel im Rohbau, zeigen sich Teile der rekonstruierten Barockfassade. Doch noch immer wird über die inhaltliche Ausrichtung des Forums gestritten und über den Eröffnungstermin spekuliert. Und selbst bei den Baukosten, die als gedeckelt galten, ist durchaus noch Bewegung auszumachen.

Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss e.V. und Spiritus Rector des Wiederaufbaus der Hohenzollern-Residenz, ist zukunftsgewiss: »Für mich steht der Eröffnungstermin fest: September 2019, zum 250. Geburtstag Humboldts«, sagte er dem »nd«. »Und ich sehe, dass auch Staatsministerin Monika Grütters (CDU) sich auf uns zu bewegt.« Grütters habe die Möglichkeit einer Teileröffnung ins Gespräch gebracht. Für Boddien kein wirkliches Problem: »Das Humboldt Forum ist doch weit mehr als ein bloßes Museum, es wird sich beständig weiterentwickeln und folglich ohnehin nie fertig sein«, sagte er.

Voraussetzung für jede wie auch immer geartete Form der Eröffnung ist allerdings die bauliche Fertigstellung. Der Fördervereinschef ist davon überzeugt, das gemeinsam mit dem Bauträger, der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, planmäßig 2018 hinzubekommen.

Auch die Finanzierung des gigantischen Bauvorhabens bereitet Wilhelm von Boddien, der seit mehr als 20 Jahren zäh für sein Projekt gerungen hat und vielfältige Widerstände überwunden hat, offenbar keine schlaflosen Nächte mehr. Die größte Summe trägt vertragsgemäß und vom Bundestag beschlossen, der Bund mit 483 Millionen Euro. Das Land Berlin ist mit 32 Millionen Euro beteiligt. Der Betrag, den der Förderverein aus Spenden für die Finanzierung der drei historischen Außenfassaden, der drei Barockfassaden des Schlüterhofs sowie des Eckrondells an der Südostecke des Schlosses aufzubringen hatte, belief sich ursprünglich auf 80 Millionen Euro. Er hat sich 2015 noch einmal deutlich erhöht. Dazu heißt es auf der Webseite des Vereins: »Im Frühjahr 2015 hatten wir unser Spendenziel auf 105 Millionen, also um 25 Millionen erhöht, um auch die hinzugekommenen Optionen (Kuppel und drei Innenportale im Bereich des früheren Großen Schlosshofs) zu finanzieren.« Der Kostenrahmen für das Gesamtprojekt ist dadurch von 595 Millionen Euro auf 620 Euro erweitert worden.

Laut Wilhelm von Boddien hat der Förderverein aktuell 74 Millionen Euro von Spendern eingenommen. »Tendenz steigend«, wie er betont. Zugleich bestätigte er dem »nd«, dass der Bund für den Fall, »dass das Steueraufkommen einmal nicht mit dem Baufortschritt Schritt halten sollte«, die Zwischenfinanzierung der ausstehenden Mittel übernehmen werde.

Ein überraschendes Detail. auf das auch die »Berliner Zeitung« unlängst hingewiesen hatte. »Der Bund hat den Auftrag erteilt, der Bund schießt das Geld im Zweifelsfall vor«, so von Boddien. Das bedeutet, dass der Bund über den vertraglich fixierten Festbetrag von 583 Millionen Euro hinaus das Risiko für Mittel zu tragen hätte, dass aus Spendenaufkommen erst noch generiert werden muss. Dabei aber geht es um Geld der Bürger. Ein Fakt, der auch den Bund der Steuerzahler aufhorchen lässt. Man werde diesen Vorgang weiter verfolgen, werde sich dazu aber zunächst nicht öffentlich äußern, teilte ein Sprecher mit.

Der Geschäftsführer ist aber optimistisch, dass der Förderverein den vollen vertraglich vereinbarten Betrag von 105 Millionen Euro bis Ende 2019 einwerben wird. »Das Versprechen gebe ich auch dem Steuerzahler«, so von Boddien. »Ich rechne für 2017 mit Spenden in Höhe von elf Millionen Euro, und das ungeachtet des Ausbleibens einer Großspende über fünf Millionen Euro im Sommer.« Die Spendenbereitschaft werde eher noch zunehmen. »Wer rechnen mit einem deutlichen Anwachsen, wenn erst die Gerüste am Bau fallen und das Schloss in seiner ganzen Schönheit sichtbar wird.« Und inzwischen kämen mehr als die Hälfte der Spender aus Berlin. »Das Schloss ist in der Stadt angekommen«, sagt Wilhelm von Boddien. 31 Millionen Euro fehlten dem Verein noch. Würden jetzt noch 80 000 Menschen je knapp 400 Euro spenden, so wäre die Summe beisammen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal