»R2G« kontra Tegel-Offenhaltung

Auf einer Veranstaltung demonstriert der Senat Geschlossenheit vor dem Volksentscheid

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Wahlkampf zum Volksentscheid über den Weiterbetrieb des Flughafens Tegels ist in vollem Gange. Bei einer Veranstaltung der SPD in der Urania in Schöneberg am Montagabend übten die Koalitionspartner von Rot-Rot-Grün (»R2G«) erneut den Schulterschluss. Ihre Botschaft: Die Koalition steht geschlossen zur Schließung des Flughafens Tegel, sobald der BER in Schönefeld eröffnet. Trotz der eindeutigen Umfragen, die in den vergangenen Wochen weiter eine deutliche Mehrheit für die Offenhaltung sehen, wollen der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und seine Senatoren die Abstimmung gewinnen.

Der Regierende äußerte vor den Zuhörern in der Urania deshalb eine »Bitte« an die Wähler: »Dass Sie Ihre Entscheidung verbinden mit der Zukunftsfrage. Es ist keine Abstimmung über die Vergangenheit«, sagte Müller mit Blick auf die emotionale Ebene, die womöglich bei zahlreichen Menschen die Wahlentscheidung beeinflussen könnte, weil sie den Flughafen im Westen der Stadt mit seinen kurzen Wegen nicht missen wollen.

Als Tegelfan gibt sich bei der SPD-Veranstaltung indes niemand zu erkennen. Nur einmal wird die Fragegestellt, ob denn der BER wirklich eines Tages eröffnen wird? Der Regierende Bürgermeister verrät daraufhin zwar keinen neuen Eröffnungstermin, aber stellt klar, dass es vor 2019 nichts mehr werden könne. »Wenn 2018 der Bau beendet ist, dann braucht es noch ein Jahr für die Bauabnahme«, sagte Müller.

Grundsätzlich verfolgt Rot-Rot-Grün im Wahlkampf zum Volksentscheid eine Arbeitsteilung: Jedes Senatsressort trägt argumentativ dazu bei, die Stimmung zu Tegel tatsächlich zu drehen. Hauptargumente von Rot-Rot-Grün sind die Zukunftsfrage, die vermeintlich eindeutige rechtliche Situation und die Lärmbelastung für 300 000 Berliner im Norden der Stadt, die in der Nähe der An- und Abflugschneisen des Flughafens liegen.

Wie die zukünftige Nutzung der 500 Hektar großen Flughafenfläche aussehen könnte, stellt bei der Veranstaltung Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) mit Hilfe einer Präsentation dar, die zeigt, dass auf dem Areal nicht nur eine neue »grüne Lunge« größer als der Tiergarten entstehen soll, sondern auch Gewerbe- und Wohngebiete wie etwa das Schumacher-Quartier mit 5000 Wohnungen, davon ein hoher Anteil mit bezahlbaren Mieten. »Wir müssen den Zuwachs an Wohnungen organisieren, es gibt keinen besseren Standort als diesen«, sagt Lompscher - auch mit Blick auf die neuesten Bedarfsrechnungen, die besagen, dass bis zum Jahr 2030 in Berlin fast 200 000 neue Wohnungen gebaut werden müssen.

Dass auf dem frei werdenden Areal dringend neue Wohnungen entstehen müssen, hat allerdings schon seinerzeit beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld offenbar nicht besonders überzeugt. Im Fall von Tegel stellt Rot-Rot-Grün neben den Wohnungen auch die wirtschaftspolitische Bedeutung in den Mittelpunkt. »Es gibt Unternehmen, die nach Flächen fragen - und die wir woanders hinschicken müssen«, sagt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Noch gibt es in der Wissenschaftsstadt Adlershof oder am Gesundheitsstandort in Buch Flächen für neue Unternehmen. Es zeichnet sich aber ab, dass die Flächen knapp werden und damit kommt die sogenannte Urban Tech Republic ins Spiel, die als Forschungs- und Industriepark nach der Schließung des Flughafens in Tegel entstehen soll. »Wenn es irgendwo in Europa die Möglichkeit auf eine Antwort auf das Silicon Valley gibt, dann in Berlin«, sagt Philipp Bouteiller, der Chef der Tegel Projekt GmbH. Zehntausende Arbeitsplätze könnten direkt und indirekt durch den Industriepark entstehen, heißt es.

Es wird deutlich, dass die Vertreter des rot-rot-grünen Senats in den vergangenen Wochen ihre Argumente zu Tegel geschärft und zugespitzt haben. Aber was passiert, wenn eine Mehrheit der Berliner am 24. September dennoch für eine Offenhaltung Tegels stimmt?

»Natürlich besteht für den Regierenden Bürgermeister dann die Aufgabe damit umzugehen«, sagt Michael Müller. Die Rechtslage sei am 25. September aber keine andere. Und mehr als bestenfalls mit den anderen Gesellschaftern der Flughafengesellschaft, Brandenburg und dem Bund, zu reden, wäre nicht zu machen. Und deren klare Äußerungen sind ja bekannt.

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